In meiner Erinnerung stehe ich als kleines Kind in der Küche meiner Großeltern. An der Wand hängt das Bild eines jungen ernsthaften Mannes in Fliegeruniform. Das ist - war mein Onkel Christian, er ist im Kurland vermisst. Was ist das „vermisst“? Ich bekam keine für mich damals verständliche Antwort. Ich denke immer noch an den Küchenstuhl, auf dem nie jemand von uns Platz nahm und an das dunkle Bett mit den Kugeln seitlich an jedem Ende, in dem niemals jemand mehr darin schlief.
1. Tag - 13. August Malini, der alte Brunnen Wir fahren den 2. Weg auf die Hauptstraße zurück und da es der Tag noch möglich macht, fahren wir über Kniveri – Grobina nach Zante ins Kurlandmuseum. Der Eigentümer des Museums führt uns durch das Museum und erklärt uns in einem Sprachmix aus Englisch und etwas Deutsch die Ausstellung. Alle ausgestellten Waffen und Kriegsgeräte sind im Kurland nach dem 2. Weltkrieg gefunden worden. Ich zeige dem Besitzer auf einer alten Karte den Ort, wo mein Onkel vermisst wurde. Er meint: Alles kaputt! In der Gegend von Zante tobte die 6. und letzte Kurlandschlacht. Die Ausstellung ist umfangreich und hochinteressant! Daher bleiben wir sehr lange dort, denn auch im Garten sind noch ein Panzer T34, ein Flugzeug AN2 und vieles andere zu bestaunen. Ärgerlicherweise steigt gerade jetzt mein Fotoapparat aus (extra neu gekauft). Die Führung durch den Besitzer ist sowohl informativ als auch unterhaltsam. Alles in allem ist das Museum sehr empfehlenswert. Es ist später Nachmittag und wir machen uns wieder auf den Weg nach Saldus. Dort kaufen wir im Rimi Supermarkt etwas zum Abendessen, für einen Gaststättenbesuch sind wir einfach zu müde. 4. Tag - 16.August Die Sonne scheint! Heute stehen Lestene, Dzukste und der Strand von Jurmala im Programm. Jurmala ist der Ort, wo Lettlands Schöne und Reiche wohnen. Dort angekommen, finden wir einen schönen großen Parkplatz und suchen – wie sich das gehört - die Parkuhr – vergebens, Parkplatz am besten Strand kostenlos, unvorstellbar aber wahr! Die Ostsee ist sehr kalt, so dass wir es beim Füßewaschen und Strandspaziergang belassen. Jurmala hat den besten Strand von Lettland und es gibt zahlreiche schöne Villen, zum Teil auch aus Holz, zu bewundern. Mein Fotoapparat zeigt auf einmal „Akku leer“, also nix mit Lestene usw. Wir fahren daher zurück nach Saldus ins Hotel, um den Akku zu laden, allerdings nicht bevor wir wenigstens im „Laci“ noch einen Kaffee-Stopp einlegen und wieder etwas leckeres Brot kaufen. In Saldus hänge ich den Akku für ca. 0,5 Stunden ans Netz und dann geht es los zum Soldatenfriedhof. Der Pavillon hat diesmal geöffnet. Wir tragen uns in das Besucherbuch ein und fotografieren aus dem Namensbuch unter „Z“ den Namen meines Onkels mit Geburts- und Vermisstendatum ab. Im Pavillon hängen Schilderungen über alle 6 Kurlandschlachten aus, es gibt sehr viele Schleifen an den Wänden von Angehörigen und Traditionsverbänden. Außerdem wird mit Aufstellern auf die Arbeit des Volksbundes in anderen Ländern Europas aufmerksam gemacht. Soldatenfriedhof Saldus – Pavillion – die Namensbücher Nach dem Frühstück, dem Bezahlen der Rechnung und dem Koffer einpacken geht es mit geladenem Fotoakku nach Lestene. In Lestene ist der Friedhof der lettischen Legionäre (19. lett. SS Freiw. Grenadier-Division). Der Friedhof ist neben der Kirche in Lestene, die Kirche war im Krieg zerstört worden, ist jetzt etwas repariert, dennoch sind die Einschüsse teilweise sichtbar, aber es können wieder Gottesdienste in ihr abgehalten werden. Der Friedhof für die lettischen Legionäre wird von der Bevölkerung liebevoll gepflegt. Am Rand dieses Friedhofs befindet sich ein einzelnes Grab, eines erst vor kurzem verstorbenen Legionärs. Kirche in Lestene – davor der Friedhof für die lettischen Legionäre mit Namenstafeln Weiter geht es nach Riga. Wir finden unser Hotel sofort und fahren - nachdem wir unser Zimmer bezogen haben - mit dem Bus ins Zentrum. Ich möchte beim Busfahrer zwei Tickets kaufen, doch dieser will kein Geld annehmen – irgendwie komisch. Wir denken nun, dass wir an der Endhaltstelle abkassiert werden, doch nichts passiert! Nachdem wir zunächst nur eine verschlossene Touristeninformation gefunden haben, versuchen wir unser Glück im Hotel „Opera“ (Sterne?) Die Rezeptionistin ist uns sehr behilflich. Sie zeigt uns auf einem Stadtplan, wo sich die zentrale Touristeninformation befindet und erklärt uns den Weg, wie wir zu dieser kommen. Dort erfahren wir, dass an diesem Wochenende City Festival ist und daher sind alle Verkehrsmittel kostenfrei!!! Wir schauen uns noch einiges in der Altstadt von Riga an, essen Crepes im Double Coffee und nehmen anschließend den nächsten Bus nach Hause. Doch schon heute merken wir: Riga selbst hält jeden Vergleich mit den europäischen Hauptstädten stand. 6. Tag - 18. August Nachdem Frühstück geht’s auf in die Altstadt von Riga – natürlich mit dem Bus! Auf dem Weg in die Stadt fahren wir an einem gewaltigen monströsen sowjetischen Kriegsdenkmal vorbei. Interessanterweise - aber dennoch nicht verwunderlich - wird es nicht weiter als Sehenswürdigkeit geführt. Überall in Riga sind Marktstände, auch historische. An so gut wie jeder Ecke treten Sänger und Musiker auf. Sämtliche Musikrichtungen sind vertreten von Oper, Musical über Jazz zu Pop, Hip Hop. Es ist für jeden etwas dabei. Nach einem Altstadtbummel – vorbei an allen wichtigen Sehenswürdigkeiten - und vielen Fotoversuchen, welche bei den vielen Menschen, ganz Riga ist unterwegs, nicht einfach sind, setzen wir uns in einer Gaststätte im Garten hin. Plötzlich geht über der Düna (Daugava) ein furchtbarer Lärm los – es findet eine Flugshow statt! Kostenlos und sehr beeindruckend. Wir besuchen nun das Okkupationsmuseum – und bleiben sehr lange darin. Die Geschichte Lettlands ist teilweise sehr bedrückend, wir fangen an, die Letten zu verstehen und finden gleichzeitig auch Parallelen zu unserer Geschichte in Ostdeutschland. Nach einem schönen Abendessen fahren wir wieder mit dem Bus zurück zum Hotel. Vorsorglich – und aus Mangel an Stift und Papier - hatte Kathrin den Busfahrplan mit ihrem Handy fotografiert, so dass wir schnell wieder zum Hotel gelangen. Im Hotel stelle ich jetzt schon fest: Ich hätte noch einen oder gar zwei Tage in Lettland gebraucht. Ich würde gern noch einmal nach Malini fahren oder nach Priekule und vielleicht wären dann Menschen unterwegs, die ich zu Malini befragen könnte oder die mir den Weg zur Stadt- oder Gemeindeverwaltung zeigen könnten .... 7. Tag - 19. August Es geht nach Hause. Der Sitz der Autovermietung ist ca. 1,5 km vom Hotel entfernt. Wir sind pünktlich da. Der Renault ist dank der schönen Sandpisten sehr schmutzig. Wir werden von einem Mitarbeiter des Autoverleihers zum Flughafen gebracht, das war‘s. Wir sind in dieser Woche ca. 1000 km gefahren. Kathrin checkt uns am Automaten für den Rückflug ein. Wir geben am Schalter unser Gepäck auf und unsere letzten Lats im Lido für Kaffee aus. In Berlin Tegel landen wir pünktlich und können dadurch sogar einen früheren Bus nach Dresden erreichen. Auf dem Heimweg schreibe eine SMS an Indra und sage ihr vielen Dank für ihre Bemühungen, es hat alles wunderbar geklappt. Bleibt zu Hause noch die lettische Erde auf das Grab meines Onkels Johannes zu bringen. Für meinen Vater haben wir viele Fotos von Malini und dem Soldatenfriedhof in Saldus mitgebracht. Er hat sich sehr gefreut und sich bei uns bedankt, dass wir diese Reise gemacht haben. Wir haben jetzt einen Eintrag im Namensbuch und einen Ort, an dem wir Blumen niederlegen und gedenken können, vielleicht bringt es für alle noch Lebenden ein klein wenig Seelenfrieden. |