Lettlandreise von Günter Meyer
24.09.2007 - 01.10.2007

Die Geschichte eines Pultsteines
für den Soldatenfriedhof Saldus – Lettland




Die Geschichte dieses Pultsteines beginnt für mich mit den Recherchen seit 2004 nach unserem Vater, der seit dem 8. Mai 1945 in Kurland vermisst wird. Er war Angehöriger der 263. Infanterie-Division (Weintrauben-Division) in der 1. Kompanie – 41. Nachrichtenabteilung mit den Feldpostnummern 17479 (1941), 01493 (1942), 57899 (1943), 27062 (1943) und 13204 (1944).

Ein im Juni 1948 aus russischer Kriegsgefangenschaft heimgekommener Kamerad schrieb meine Mutter an und wollte wissen, ob unser Vater Josef Meyer, geb. am 25. Sept. 1910, aus dem Krieg heimgekommen sei. Er sei am 8. Mai 1945 in Grobina bei Libau in Lettland in eine JU 52 eingestiegen, um über Schweden nach Hause zu kommen.

Das war Anlass für meine Mutter bei der schwedischen Behörde „STATENS UTLÄNNINGSKOMMISSION“ in Stockholm (The State Aliens Spervisory Commission) nachzuforschen, ob eine JU 52 in Schweden angekommen ist. Mit Bedauern wurde nur festgestellt, dass der Name unseres Vaters in keinem Register vorkommt und auch nicht in den Listen von bestatteten Angehörigen der deutschen Wehrmacht.

Ein Versuch 2007 und 2008 über die Schwedische Botschaft in Berlin heute vielleicht doch noch etwas zu erfahren, scheiterte kläglich: keine Antwort.

Mittlerweile kann ich mir das auch erklären, warum man von den Schweden keine Unterstützung bekommt. Ihnen ist ihre Geschichte peinlich, weil sie nach Kriegsende als neutrales Land an Russland deutsche Kriegsgefangene ausgeliefert haben.

Zwischendurch gab es 1980 eine Suchanfrage über das DRK und 1999 über die Liga für Russisch-Deutsche Freundschaft, die keine weiteren Informationen brachte.

Eine intensive Recherche begann 2004 über das Internet mit dem Stichwort „Kurland“. Dabei bin ich auf die Webseiten von www.kurland-kessel.de gestoßen. Und es begann ein intensiver Informationsaustausch über die Jahre mit Michael Molter, der diese Webseiten aufgebaut hat. Für ihn begann es damit, dass er auf Spurensuche nach seinem vermissten Großvater war, der ebenfalls als Soldat zuletzt in Kurland seinen Dienst tat.

Nachdem ich glaubte, alle Informationen zusammengetragen zu haben, sollten die Recherchen mit einem Besuch in Kurland – Lettland abgeschlossen werden.

So organisierte ich selbst mit meinem älteren Bruder und seiner Ehefrau eine Kurlandreise für September 2007. Sie führte uns zuerst für einige Tage nach dem wieder aufgebauten und wunderschönen Riga. Dann startete die Spurensuche nach der Stelle, von der unser Vater mit der JU 52 zurück in die Heimat wollte.

Die Reise führte uns mit einem Mietauto in Richtung Liepája (Libau), der Hafenstadt, über die bis zuletzt die Armee versorgt wurde und verwundete Soldaten aus dem Kampfgebiet nach Hause gebracht wurden.

Unterwegs besuchten wir die Soldatenfriedhöfe in Dzukste, auf dem auch Soldaten aus dem 1. Weltkrieg beerdigt sind, Lestene, auf dem lettische Soldaten beerdigt sind und Saldus (Frauenburg), der direkt an der früheren Hauptkampflinie angelegt wurde. Er ist der größte Soldatenfriedhof für die baltischen Staaten, auf dem Platz für 30.000 tote Soldaten ist. 22.000 haben mittlerweile hier ihre letzte Ruhe gefunden.


Soldatenfriedhof in Dzukste


Soldatenfriedhof in Lestene


Soldatenfriedhof in Saldus


Wir haben auch das Kurland-Museum in Zante besucht, das von einem Letten privat aufgebaut wurde. Ich hatte die Ehre, uns im Gästebuch unter dem 26.9.2007 mit einem Bild unseres Vaters einzutragen und zu verewigen.




Museum in Zante


Nach dem Gutachten des DRK aus 1980, sollte das Flugzeug in Ollgi, kurz vor Libau, gestartet sein. Dahin führte unser Weg weiter. Wir fanden auch den Ort, ein kleiner, winziger Ort, mit ein paar verstreuten Häusern und Gehöften und einem alten Schloss, das mittlerweile ein Altenheim für Russen ist. Allein von der Topographie konnten hier keine JU’s gelandet und gestartet sein. Also fuhren wir weiter zu dem offiziell in der Landkarte eingezeichneten Flugplatz bei Grobina, kurz vor Libau.

Und hier gab es eine wundersame Begegnung. Wir standen vor der kleinen Abflughalle und unterhielten uns. Einige Meter entfernt standen eine ältere Dame und zwei ältere Herren. Sie hörten deutsche Worte und sprachen uns in Deutsch an. Im Verlaufe des Gesprächs stellte sich heraus, dass dies Letten waren, die während des 2. Weltkrieges deutsche Soldaten bei der Luftwaffe waren und hier ihren Dienst verrichteten. Sie warteten noch auf mehrere andere Kameraden.

Einmal im Jahr treffen sie sich hier, um auf dem im Flughafengelände aufgestellten Ehrenmal Blumen abzulegen und ihrer verstorbenen Kameraden zu gedenken.




Begegnung auf dem Flughafen Grobina bei Libau






(Übersetzung des Textes auf dem Ehrenmal: „Auf diesem Flugplatz hat sich 1943/1944 die lettische und estnische Kriegsfliegerschule befunden“)

Damit war auch klar, dass unser Vater nur von diesem Flugplatz am 8. Mai 1945 nach Hause zu seiner Familie wollte.

Nach weiteren Recherchen bestätigte sich dies durch den Artikel „8. Mai 1945: Ziel Kurland - der letzte Großeinsatz der Luftwaffe“ in der Zeitschrift „LUFTWAFFE im Focus-Spezial 2/2006“.

Für meine Recherchen bestellte ich mir auch die Zeitschrift “KAMERADEN“. In der Dezemberausgabe 2007 las ich, dass der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. in Russland – Wolgograd – auf dem Soldatenfriedhof Rossoschka 107 Granitwürfel mit den Namen von mehr als 100.000 vermissten Stalingradopfern aufgestellt hat.

Das weckte in mir die Idee, einen Wunsch an den Volksbund heranzutragen, auf einer Steintafel den Namen unseres vermissten Vaters für den Soldatenfriedhof in Saldus aufzunehmen. Dem wurde Rechnung getragen, zumal schon Auftrag erteilt war, mehrere Steintafeln (Pultsteine) anzufertigen, auf denen die Namen jener Toten eingraviert werden sollen, die bei den Umbettungen nach Saldus nicht eindeutig zu identifizieren waren.

Ich recherchierte weiter und bekam die Information, dass ein Natursteinwerk in Aarschot – Belgien – nahe bei Brüssel, den Auftrag bekam, diese Pultsteine zu beschriften.

Eine persönliche Kontaktaufnahme unter Vermittlung des Volksbundes erlaubte mir und meiner Frau einen Besuch in dem Werk.

Die Firma, die seit Jahrzehnten für den Volksbund arbeitet, hatte zum ersten Mal einen solchen Wunsch erfüllt und sie gab sich sehr große Mühe für den Besuch. Dafür bin ich dem Firmeninhaber auch sehr dankbar.

In den Produktionsprozess durfte ich an dem Pultstein selbst Hand anlegen, auf dem der Name unseres vermissten Vaters steht. Dies war eine sehr symbolische Geste des Firmeninhabers. Sie wird mir lange in Erinnerung bleiben.


Soldatenfriedhof Saldus auf dem die Pultsteine aufgestellt werden














Pultsteine für Saldus – Herstellung in einer Natursteinwerkstatt in Belgien


Pultstein – Rohling


Aufkleben der Namensliste




Herauspicken der Buchstaben


Ergebnis der Arbeit


Sandstrahlgerät für Gravur


Farbe auftragen nach dem Sandstrahlen


Buchstabenmatte entfernen




Fertiger Pultstein


Dieser Pultstein ist mit zig weiteren Pultsteinen auf Lkw’s verpackt zu dem Zeitpunkt von Belgien nach Saldus unterwegs, wo ich diese Zeilen schreibe.

Anfang April, wenn die Witterungsverhältnisse es zulassen, ist geplant, diese auf dem Soldatenfriedhof aufzustellen.

Eine offizielle Übergabe erfolgt im Juni/Juli dieses Jahres im Rahmen einer Reise des Volksbundes deutscher Kriegsgräberfürsorge e.V., u. a. nach Lettland. Da gibt es eine 10-Jahr-Gedenkfeier des größten Soldatenfriedhofes in den baltischen Staaten (siehe unter: www.volksbund.de/reisen und Reiseziel rechts „Lettland“ eingeben).

Jetzt gibt es auch für einen vermissten Soldaten auf dem Soldatenfriedhof in Saldus einen Gedenkstein.

Püttlingen, im Januar 2009

© Günter Meyer


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