Lettlandreise September 2001



Eine Reise in die Vergangenheit: Die Suche nach dem Grab meines Großvaters


2. Tag: Montag, 10. September 2001


Beim Wetter gab es keine große Änderung. Es war recht windig und bewölkt. Karlis war früh morgens schon wieder nach Riga zur Arbeit gefahren. Er wollte nachmittags wieder zu uns stoßen. Ernst und Manfred holten mich auf Seski ab und wir fuhren dann gegen 9:30 Uhr nach Dzukste und besichtigten den dortigen Friedhof, in den ein deutscher Soldatenfriedhof mit 198 Gefallenen integriert ist. Die Friedhöfe sind alle sehr groß, gemessen an der Bevölkerung. Viele Gräber sind allerdings auch schon sehr alt. Im Gegensatz zu uns, werden die Gräber nicht nach einer gewissen Zeit beseitigt und wieder neu vergeben, sondern bleiben erhalten. Manche sind dadurch auch schon sehr zugewuchert. Aber das macht diese Friedhöfe auch so interessant. Wir liefen eine Weile auf dem Friedhof herum, bis wir zu den Grundmauern der Kirche kamen. Diese wurde noch gegen Ende des Krieges gesprengt. Ernst zeigte uns noch die Stelle bei der Kirche, an der er noch einen Bunker bauen sollte. Dieser Bunker wurde allerdings nie fertig. Wir spazierten dann anschließend noch kurz in Dzukste herum, ehe wir dann in Richtung Pienava aufbrachen.

Dort in Pienava (zu Deutsch: Molkerei) war Ernst während des Krieges oft gewesen. Die Ortschaft, die heute Pienava heißt, ist es jedoch nicht gewesen. Diese Ortschaft ist nach dem Krieg neu entstanden und hatte dann den Namen des früheren Pienava erhalten. Laut unseren alten Landkarten lag dieser Ort zu weit südlich. Also begaben wir uns auf die Suche nach dem "alten Pienava". Bei dem Gehöft Diki fanden wir diese Stelle, wo sich früher Pienava befand. Gegenüber der Straße war auch ein russischer Soldatenfriedhof angelegt.

Anschließend fuhren wir auf der Straße A9 Richtung Liepaja und bogen dann beim Bahnhof Berzupe in Richtung Jaunpils ab. Dort, inmitten des ehemaligen Kampfgebietes fuhren wir auf sehr schmalen und schlechten Wegen. Bei verschiedenen Höfen (Irbes und Puksteni) fragten wir nach Informationen. Man versuchte uns überall weiter zu helfen. Der Mann auf dem Hof "Irbes" erzählte uns noch, dass sein Vater in der 19. lettischen-SS-Grenadier-Division gewesen sei. Er war allerdings leider bereits verstorben. Die Menschen auf diesen einsamen Höfen leben sehr schlicht und einfach. Man gewann den Eindruck, dass hier die Zeit stehen geblieben war.

Wir fuhren dann weiter nach Lestene. Dort hielten wir kurz an der Kirche, gegenüber dem Friedhof und dem Ehrenmal der lettischen Legionäre.
Um 15:00 Uhr trafen wir uns mit Karlis auf Seski. Anschließend fuhren wir zum Bürgermeisteramt nach Dzukste, um uns mit der Vorsitzenden des Rates der Gemeinde, Frau Agija Novicka zu treffen. Sie war sehr nett und hilfsbereit. Wir konnten uns einige neue und alte Landkarten aus dieser Gegend betrachten. Sie hatte auch ein Buch, mit Namen von Gefallenen. Wir konnten aber keinen, uns bekannten Namen darin finden. Frau Novicka erklärte uns dann noch, dass das Gebiet, auf dem sich früher einmal Paugibelas befand, bis 1965 den Russen als Truppenübungsplatz für Panzereinheiten aus Doblen diente. Heute ist dieses, ca. 2000 Hektar große Gelände überwiegend Wiesen- und Ackerfläche. Diese - für mich neue Erkenntnis - war dann doch schon sehr ernüchternd.

Wir holten dann Edite ab und fuhren dann in dieses Gebiet hinein. Es regnete und die ohnehin schlechten Wege waren dementsprechend befahrbar. Edite nutzte den ehemaligen Standort des Gehöftes Veccirpji als Orientierungshilfe, um die besagte Stelle zu finden. Wir fuhren, bis wir an eine scharfe Biegung kamen. Edite erklärte uns dann, wo sich Paugibelas in etwa befand. Ich ging dann alleine einige Meter in die vor mir liegende Wiese hinein. Nun sah ich zum ersten Mal diese Gegend, die mich seit über zwei Jahren so intensiv beschäftigt hatte. Ich wollte aber zuerst noch weitere Informationen im Verlauf dieser Woche sammeln, ehe ich noch einmal an diesen Ort zurück kommen wollte. Aus der Entfernung hörte ich noch, wie Edite ein lettisches Lied sang. Ich verstand zwar den Text nicht, doch die Melodie sagte eigentlich schon alles. Es war ein sehr bewegender Moment.

Wir fuhren dann wieder Richtung Hauptstraße, und besuchten noch den ehemaligen Bahnhof Rumbas, der ebenfalls erbittert umkämpft war. Heute befindet sich dort eine Gedenkstätte der 19. lettischen-SS-Grenadier-Division.
Wir fuhren dann weiter, Richtung Liepaja und bogen anschließend bei Tempij ab und fuhren in Richtung Lestene zu einem Waldfriedhof, auf dem nach Angaben von Frau Novicka, auch Gefallene begraben sein sollen. Das lettische Brüderfriedhofkomitee möchte diese bald umbetten. Wir fanden diese Grabreihe auch. Sie ist mit einem Gedenkstein gekennzeichnet.
Da es nun langsam dunkel wurde, machten wir uns auf den Heimweg. Gegen 20:00 Uhr kamen wir bei Familie Bargais an, wo es dann auch Abendessen gab. Ein sehr ereignisreicher Tag neigte sich dem Ende.



© Michael Molter

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