Lettlandreise September 2001



Eine Reise in die Vergangenheit: Die Suche nach dem Grab meines Großvaters


6. Tag: Freitag, 14. September 2001


Wie sollte es an diesem Morgen anders sein. Es regnete. Ernst und Manfred holten mich um 9:30 Uhr ab und wir fuhren über Pienava Richtung Annenieki. Zuvor machten wir bei Bitskepi noch einen Abstecher ins Gelände. Dort sah man noch Ansätze von Bunkern und Schützengräben. Bei Annenieki hielten wir dann an einer Schule, zu der noch ein Internat gehörte. Nicht weit dahinter befand sich noch eine Kirche. Wir gingen also in diese Schule, und trugen unser Anliegen vor. Wir fragten nach dem Hof Gaujas, der in dieser Gegend gewesen sein müsste. Dort wurde ja Ernst im Januar 1945 verwundet. Die Direktorin, wie auch zwei weitere Frauen sprachen sehr wenig Deutsch. Jedoch wurde wieder sehr eifrig in der Gegend herum telefoniert und dadurch auch ein Mann ausfindig gemacht, der sehr gut Deutsch sprach. Die Direktorin fuhr dann voraus, um uns den Weg zu zeigen. In Gaujas wartete dieser Mann bei einer Imbissbude schon auf uns. Dieses Haus, oder auch Hof Gaujas, lag gegenüber der Ortschaft Kakenieki.
Dieser Mann - er hieß Roberts Nikolajevs - hatte seine guten Deutschkenntnisse zum Teil aus Deutschland, wo er eine Zeitlang gearbeitet hatte. Er zeigte uns dann den Hof Gaujas. Ernst konnte allerdings keinerlei Übereinstimmung mit dem Haus finden, das er suchte. Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile mit Herrn Nikolajevs. Die Imbissbudenbesitzerin von nebenan fragte uns noch nach einem Soldatenfriedhof irgendwo in Schleswig-Holstein, wo angeblich ihr Vater begraben sein soll. Außer dem Namen ihres Vaters hatte sie keinerlei Informationen. Ich schrieb mir den Namen auf und sagte ihr, dass ich damit einmal beim Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge nachfragen wollte. Vielleicht lässt sich ja auf diesem Weg die Grablage ihres Vaters ausfindig machen.

Wir fuhren dann anschließend wieder zurück nach Jaunpils, um bei der dortigen Stadtverwaltung nach Informationen aus der damaligen Zeit zu fragen. Manfreds Vater war ja dort Ende Dezember 1944 stationiert. Wir gingen also zur Verwaltung und natürlich sprach dort kein Mensch Deutsch. Mit Händen und Füßen versuchten wir zu erklären, wonach wir suchten und wie sollte es auch anders sein, es wurde sofort wieder jemand telefonisch ausfindig gemacht, der Deutsch sprach. Auch wurden wir wieder dorthin begleitet. Wo man auch hinkam, man erfuhr immer die gleiche Hilfsbereitschaft.

Bei dieser Kontaktperson handelte es sich um eine junge Frau, die in einem Restaurant arbeitete. Sie war einige Zeit als Au Pair Mädchen in Deutschland gewesen. Daher auch die guten Deutschkenntnisse. Sie versuchte nun einen ehemaligen lettischen Legionär zu erreichen, was jedoch leider nicht gelang. Manfred ließ sich dann dessen Telefonnummer geben. Im Laufe des kurzen Gespräches mit dieser jungen Frau stellte sich heraus, dass sie die Nichte von Agija Novicka, der Bürgermeisterin von Dzukste, war. Da zeigte sich wieder einmal, wie klein doch manchmal die Welt sein kann.

Wir machten dann noch einen kleinen Spaziergang um den See in Jaunpils, da auch das Wetter mitspielte. Am späten Vormittag hörte es dann auf zu regnen und am Nachmittag kam sogar ab und zu die Sonne zum Vorschein. Und da schönes Wetter während dieser Woche Mangelware war, mussten wir die paar schönen Stunden regelrecht ausnutzen.

Um 17:00 Uhr waren wir dann wieder in Lestene, um bei dem Ehrenmal der lettischen Legionäre ein paar Blumen mit einer kleinen Schleife nieder zu legen.

Um 18:30 Uhr waren wir dann bei Familie Bargais zum Essen, wohin auch noch Herr Arnolds Millers mit zwei Männern der lettischen Landwehr kam. Diese beiden Männer - es handelte sich um Vater und Sohn - waren beide bewaffnet. Es waren die Herren Andreas und Martin Rugens aus Slampe. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Schicksale von lettischen- und deutschen Soldaten in Kurland aufzuklären. Sie zeigten uns einige Dinge, die sie bei Ausgrabungen gefunden hatten. Es waren restaurierte Karabiner, Orden, Abzeichen, Dienststempel (mit Datum 07.05.1945) und auch Weihnachtssterne, die aus Dosenblech von Soldaten selbst angefertigt wurden. Sie haben eventuell im nächsten Jahr vor, sich ein archäologisches Suchgerät aus Deutschland anzuschaffen, mit dessen Hilfe man die Erde besser untersuchen kann. Vielleicht wollen sie ja auch einmal in der Gegend von Paugibelas suchen. Möglicherweise findet man dann noch das eine oder andere Grab eines Soldaten. Es wäre natürlich schön, wenn sich dadurch auch das Grab meines Großvaters finden ließe, wer weiß. Als dann Andreas und Martin Rugens sich zusammen mit Herrn Millers gegen 20:30 Uhr auf den Heimweg machten, nahmen sie mich mit nach Seski.

Ich schaute mir dann noch kurz die Neuigkeiten vom Tage an und danach war dann auch für mich Feierabend.



© Michael Molter

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