Lettlandreise September 2003



Eine Reise nach Lettland - der Weg zurück in die Vergangenheit


5. Tag: Mittwoch, 3. September 2003


Heute sollte unser Ausflugsziel Riga sein. Dort wollten wir zuerst das Grab von Oberstleutnant Heinrich Ochßner auf dem neuen Sammelfriedhof in Riga-Beberbeki besuchen. Ein Unterfangen, was sich als gar nicht so einfach herausstellen sollte. Aber der Reihe nach. Geplant war also zunächst der Friedhofsbesuch und anschließend ein Treffen mit Karlis in der Altstadt. Wie eigentlich die anderen Tage zuvor auch, fuhren wir alle zusammen gegen 10.00 Uhr Richtung Riga. Vor uns lagen ca. 65 km. Wir hofften spätestens um 11.30 Uhr auf dem Soldatenfriedhof in Riga-Beberbeki sein zu können. Ein großer Irrtum, wie sich später herausstellen sollte!

Zunächst brauchten wir zwei Blumengebinde, die zusammen mit den zwei Schleifen - welche ich zu Hause hatten anfertigen lassen - am Grab von Heinrich Ochßner niedergelegt werden sollten. In einem Geschäft kurz vor der Stadt bekam ich die Blumen. Nun hieß es nur noch den Friedhof zu finden. Darum fragte ich gleich in dem Blumengeschäft nach dem Weg. Nach den gewohnten Verständigungsschwierigkeiten fand sich eine junge Frau, die einigermaßen gut Englisch sprach. Konkrete Angaben über den Weg konnte sie aber leider nicht machen und so blieb es nur bei vagen Vermutungen ihrerseits, die uns nicht recht weiter brachten. Wir fuhren daraufhin die Hauptstraße, die Richtung Liepaja führt, einige Kilometer zurück bis zum Kreisel, um aufs Neue eine Einfahrt zu dem Stadtteil Beberbeki zu finden. Da die Hauptzubringerstraße nach Riga zwei-, bzw. dreispurig ist, war diese Sucherei mit einigen Kilometern Umweg jedes Mal verbunden, denn man musste immer erst wieder eine Stelle finden, wo man wenden konnte, denn dies war nicht ohne Weiteres überall möglich.

Neben einer Tankstelle in der Nähe des Flughafens fand sich ein Weg, der nach Süden und somit in Richtung Beberbeki führte. Ich befragte noch einen Tankstellenmitarbeiter nach dem besagten Weg und dem Friedhof, aber auch er wusste nicht weiter. Also versuchten wir unser Glück auf eigene Faust. Diese schmale Straße (mehr ein Feldweg) führte uns in eine Art Wohngebiet mit kleinen Häusern. Es war ein wahres Labyrinth an engen und sehr schlecht befahrbaren Feldwegen. Am lauten Dröhnen von Flugzeugtriebwerken erkannte ich dann, dass wir uns am Rande des Flughafens befanden. Wir waren auf dem Holzweg - also das Ganze wieder zurück, wieder bis zum Kreisel und gleich die nächste Abfahrt raus, die Straße durch den Wald weiter, bis wir in Skulte waren. In dieser tristen Wohnblocksiedlung konnte uns aufgrund der Sprachbarrieren leider ebenso niemand weiter helfen. Auch diese Suche endete am Absperrzaun des Flughafengeländes. So langsam machte sich Verzweiflung breit. Wir mussten zwar ganz in der Nähe des Friedhofes gewesen sein, aber wir fanden ihn einfach nicht. Also beschloss ich zunächst nach Riga hinein zu fahren, um uns wie geplant mit Karlis zu treffen. Vielleicht würden wir mit seiner Hilfe weiterkommen. Also kehrten wir wieder um und fuhren abermals Richtung Hauptstadt. Nur wenige Meter vor dem Zubringer zur A10, die direkt nach Riga führt, sahen wir eine Baustelle, auf der neue Wohnungen und Häuser gebaut werden. Direkt in der Einfahrt zu dieser Baustelle stand ein LKW in dem der Fahrer saß. Nach dem Motto: "Dies ist der allerletzte Versuch" stoppte ich den Wagen und hielt bei dieser Einfahrt an und ging zu dem LKW-Fahrer hin. Ich fragte ihn, ob der Deutsch oder Englisch sprechen würde, aber ich erhielt nur ein Kopfschütteln. Ich deutete daraufhin mit dem Finger auf den Stadtplan und zeigte auf Beberbeki und sagte nur zu ihm: "Vacu kapi (deutscher Friedhof)?", worauf er direkt mit einem erlösenden "Aaaahhh" antwortete. Er schrieb mit dem Finger die Zahl 800 - 1000 m in den Sand, deutete uns an, dass ich diese Strecke von hier aus wieder zurückfahren sollte und eben nach diesen 800 - 1000 m nach rechts abzubiegen hätte. Also schnell ins Auto und zunächst ein Stück geradeaus, bis wir einen Wendeplatz fanden. Von dort zurück bis zur Baustelle und ab diesem Augenblick immer den Tacho im Auge. Nach 800 m kam wirklich ein kleiner Weg, in den wir auch rechts einbogen - Sackgasse. Wieder zurück und weiter der Straße nach und tatsächlich nach weiteren 300 m ging es rechts in eine Straße, neben der ein Stein mit der Aufschrift: "Beberbeku kapi" stand. Das musste der richtige Weg sein. Ich fuhr also weiter und kam in ein Waldstück, in dem auf einem Hügel beidseitig dieser Straße ein sehr schöner ziviler Friedhof angelegt war. Wir mussten also mitten durch diese zivile Anlage durch, den Hügel wieder hinunter und da sah ich auch schon so eine Art Baustelle und einige Arbeiter vor uns auftauchen und als ich nach rechts schaute, da sah ich am Rande einer Waldlichtung ein großes Kreuz stehen. Wir hatten es endlich geschafft und die lange Suche hatte ein glückliches Ende. Nun konnten wir das Grab von Oberstleutnant Heinrich Ochßner besuchen und unsere Blumen, zusammen mit den Schleifen, am Kreuz befestigen. Ich hatte es seiner Witwe versprochen und mir fiel in diesem Moment ein tonnenschwerer Stein vom Herzen. Keine zehn Pferde hätten mich an diesem Tag aus Riga gebracht, bevor ich nicht diesen Friedhof und somit das besagte Grab gefunden hätte. Dies war ein bewegendes Ereignis, denn ich kenne ja Frau Ochßner sehr gut und dadurch den ganzen langen Weg dieser Umbettung von Indrikeni hierher. Unter: "Geschichte einer Kriegerwitwe" ist dies alles nachzulesen.

Oberstleutnant Ochßner
Das Grab von Oberstleutnant Heinrich Ochßner in Riga-Beberbeki.

Nach den ausliegenden Plänen wird dies einmal eine sehr schöne Anlage werden. Es sind bis jetzt schon einige Soldaten hierher umgebettet worden, aber nur zwei Gräber wurden bisher mit einem provisorischen Kreuz und einem Namensschild versehen. In diesen beiden Fällen gab es nahe Angehörige, die sich darum bemühten. Alle anderen Gefallenen erhalten dann später ihre Identität zurück, sofern sie noch geklärt werden konnte. Im nächsten Jahr, ebenfalls im September, soll der Friedhof fertiggestellt und eingeweiht werden.

Mit ungefähr zwei Stunden Verspätung trafen wir uns mit Karlis am Rande der Rigaer Altstadt. Dies war zum Glück kein Problem, denn wir standen ja ständig in Verbindung - Handy sei Dank! Karlis hatte noch einen Termin wahrzunehmen und so marschierten wir zunächst an der Freiheitsstatue vorbei und gingen in einem Lokal etwas essen. Etwa gegen 15.00 Uhr trafen wir uns wieder mit Karlis am Domplatz und er zeigte uns noch ein paar Sehenswürdigkeiten der lettischen Hauptstadt.

Um 17.00 Uhr traten wir die Heimreise an. Karlis blieb in Riga zurück, denn er hatte noch Termine. Etwas schleppend ging es durch die Straßen, da Feierabendverkehr herrschte. Nachdem wir endlich aus der Stadt waren und ich gerade auf die A9 Richtung Liepaja abbiegen wollte, kam ein weiteres Hindernis in Form einer Polizeikontrolle auf uns zu. Ein Polizist winkte mich an den Straßenrand und wollte die Fahrzeugpapiere und meinen Führerschein sehen. Es gab zum Glück nichts zu beanstanden und so konnten wir unsere Fahrt nach kurzer Unterbrechung in Richtung Dzukste fortsetzen.

Ein ereignisreicher und bewegender Tag neigte sich dem Ende zu. Das Wetter war viel besser als die vergangenen Tage und somit recht ordentlich. Wir hatten kaum Regen und die Sonne schien sogar des öfteren, wodurch sich die Temperaturen ebenfalls in angenehmen Regionen bewegten.



© Michael Molter

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