Der Frühling zog ins Land und die wärmende Sonne brachte den letzten Schnee zum Schmelzen. Die Straßen und Wege standen unter Wasser - Kurland versank im Schlamm. Die meisten zivilen Behörden hatten bereits das Land verlassen. Der Nachschub, der auf dem Seeweg von der Kriegsmarine nach Kurland transportiert wurde, ließ auch immer mehr nach.
Während der 5. Kurland-Schlacht liefen bereits auf sowjetischer Seite die Vorbereitungen zur 6. Schlacht. Die Heeresgruppe Kurland sollte nun endgültig zerschlagen werden, um dann mit den freiwerdenden Truppen der "Roten Armee" an der Offensive gegen Berlin, die für April geplant war, teilnehmen zu können.
Mit aller Macht wollten die Sowjets über Saldus (Frauenburg) nach Westen auf Liepaja (Libau) zustoßen. Zu diesem Zweck wurde die 10. sowjetische Garde-Armee unter Generalleutnant Korotkov mit Panzer- und motorisierten Einheiten aufgefüllt. Sie sollte die Angriffspitze der neuen Offensive gegen die deutschen Stellungen bilden.
Auch auf deutscher Seite waren entsprechende Vorbereitungen im Gang, die allerdings merklich unter Nachschubproblemen litten, insbesondere, was die Versorgung mit Treibstoff anbelangte. Mitten in diese Vorbereitungen - welche noch nicht annähernd abgeschlossen waren - platzte am 18. März 1945 der russische Angriff zum Auftakt der 6. Kurland-Schlacht. An diesem, wie auch am drauffolgenden Tag, stand die gesamte Front der 16.Armee unter Beschuss. Hunderte sowjetischer Werfer- und Artilleriebatterien feuerten ihre Raketen und Granaten auf die deutschen Stellungen. Die feindliche Artillerie sparte schmale Gassen - sogenannte "stille Zonen" - mit ihrem eigenen Feuer aus, so dass die russischen Panzer durch diese Zonen hindurch die deutschen Stellungen angreifen konnten. Dadurch erfolgten die ersten Einbrüche in die deutschen Stellungen und nachrückende Panzerrudel begannen die Hauptkampflinie nach rechts und links aufzurollen.
Um die Lücken in der bedrohten Front der 16. Armee zu schließen, wurden die 12. und 14. Panzer-Division vom Heeresgruppenkommando an die kritischen Stellen beordert. Später wurde auch noch die 11. Infanterie-Division herbeigeholt.
Einen ersten Abwehrriegel bildeten die motorisierten Verbände, unterstützt von Kompanien der Heeres-Panzerjäger-Abteilungen und den Batterien der Heeres-Artillerie-Abteilungen. Die Verbindung zwischen den einzelnen Einheiten riss zwar des öfteren ab, doch es entstand dadurch keine Panik. So konnten die Sowjets keine tiefen Einbrüche für sich verbuchen.
Das Vorhaben der 10. Garde-Armee, in einem Stoß die deutsche Front aufzureißen, war somit nicht gelungen. Aus diesem Grund griffen die Sowjets nun noch mit der 1. Stoßarmee und der 22. Armee zwischen Saldus (Frauenburg) und Dzukste an, wodurch jetzt auch das XVI. Armee-Korps und das VI. SS-Armee-Korps in die Kämpfe mit hinein gezogen wurden.
Auch die 18. Armee blieb nicht verschont. Die 6. Garde-Armee und die 51. Sowjet-Armee traten ebenfalls zum Angriff an. Nun stand die gesamte Kurland-Front auf einer Länge von ca. 240 km in Flammen. Die 6. Kurland-Schlacht war in vollem Gang!
Viele deutsche Stützpunkte waren auf sich alleine gestellt und kämpften bis zum Letzten. Eingeigelt wehrten sie die Angriffe nach allen Seiten hin ab. Die von starken Verlusten geschwächten Divisionen der 16. Armee mussten sich im Raum Saldus gegen 17 Schützen-Divisionen und fünf Panzerbrigaden der "Roten Armee" verteidigen. Zwischen Saldus und Skrunda erging es der 18. Armee nicht besser. Deren Einheiten standen dort mit 14 sowjetischen Schützen-Divisionen und vier Panzerbrigaden im Abwehrkampf. Hier war besonders das Gebiet nördlich von Pampali hart umkämpft.
Der letzte Großangriff auf Liepaja (Libau) scheiterte am 28. März, wodurch nochmals ein neuer Schwerpunkt südlich, bzw. südostwärts von Saldus seitens der Sowjets gebildet wurde. Durch langsames Zurückweichen der deutschen Verteidiger auf die sogenannte "Burg-Stellung" und den gleichzeitigen Einsatz der letzten Reserven - hier das Werfer-Regiment 70 und die Sturmgeschütz-Brigade 202 - konnte ein Einbruch in die deutschen Linien verhindert werden.
Die Sowjets hatten hohe Verluste zu beklagen, wodurch sie sich zum Einstellen der Angriffsbemühungen entschlossen. Anfang April war in Kurland nur noch geringe Kampftätigkeit zu vermelden. Die deutschen Truppen sollten durch örtlich begrenzte Angriffe gebunden werden, um einen Abtransport deutscher Kräfte unmöglich zu machen. Die Sowjets zogen ihrerseits weitere Verbände aus Kurland ab, um diese im Osten Deutschlands einzusetzen.
Im April 1945 wurden die ersten Soldaten der Heeresgruppe Kurland mit der letzten deutschen Kriegsauszeichnung des Zweiten Weltkrieges ausgezeichnet - dem Ärmelband "KURLAND". Ein im Februar 1945 entsprechend ausgearbeiteter Entwurf des Heeresgruppenkommandos Kurland wurde dem Führerhauptquartier mit dem Vorschlag zur Stiftungsverordnung zugesandt. Ende März 1945 erließ dann das Oberkommando des Heeres ein Schreiben, wonach der Führer die Stiftung des Ärmelbandes "KURLAND" genehmigt hatte.
Mitte April gliederte sich die Heeresgruppe Kurland von Liepaja (Libau) im Westen, bis Tukums im Osten, wie folgt:
18.Armee:
X. Armee-Korps (30. und 121. Inf.-Div.)
I. Armee-Korps (132. und 225. Inf.-Div.)
II. Armee-Korps (87., 126., 263. und 563. Inf.-Div.)
L. Armee-Korps (11. und 290. Inf.-Div.)
Reserve: 14. Panzer-Div. und 52. Inf.-Div.
16. Armee:
XXXVIII. Armee-Korps (122. und 329. Inf.-Div.)
VI. SS-Armee-Korps (19. lett. SS-Gren.-Div. 24. Inf.-Div., 12. Panzer-Div.)
XVI. Armee-Korps (81., 205., 218. Inf.-Div., Divisionsstab z.b.V. 300, 21. Lw.-Feld-Div.)
Kommandantur Nord-Kurland (Abschnitte: Küste, Ost, Nordwest, Südwest; Festung Windau, 207. Sich.-Div.)
Festung Libau (direkt der HG unterstellt)
Quelle: W. Haupt - Das war Kurland, Podzun-Pallas
Mit freundlicher Unterstützung des Autors Werner Haupt
© Michael Molter
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