Im Felde, 2.11.44
Meine liebe Mutter.
Als ich heute meinen Kameraden nach dem Datum fragte und er mir den 2. November nennt, muß ich an Deinen Geburtstag denken, der ja in diesen Monat fällt.
Nun habe ich gerade 3 Tage Ruhe in meinem provisorisch eingerichteten Erholungsheim der BLLs, ungefähr 3 km hinter der Front.
Die will ich dazu benutzen, Dir zu schreiben und den vielen anderen Freunden und Verwandten, die z. T. seit Jahr und Tag keine Post von mir haben.
Weißt Du, es ist so unendlich schwer, aus dieser Zeit und diesem Graben heraus einen Brief an die Seinen? zu schreiben. Du kennst meine Gedanken ....Dein Brief mit ....Tag bestätigt mir noch und mehr ihre Richtigkeit. Dazu kommt die Sorge um meine Familie und die Sorge darum, ob und wie es uns gelingen soll, einmal von hier wieder in die Heimat zurück zu kommen.
Liebe Mutter, Gott sei Dank, habe ich von Dir ein gut Teil von Eigenwilligkeit geerbt, die mich befähigt, auch in den schlimmsten Situationen ein Ziel klar und unbeirrbar zu verfolgen und dann einmal mit Bestimmtheit zu ergreifen. Dieses Ziel aber ist für mich die Rückkehr zu meiner Familie.
Der Weg dahin ist für mich jetzt unendlich schwer und ich weiß nicht, welche Bahnen er geht. Darüber sinne und grüble ich nun oft und es naht die Zeit, in der ich selbst in das Rad meines Schicksals eingreifen muß, wenn es mich nicht in das endgültige Verderben hineinrollen soll.
Du kannst aber versichert sein, daß ich die genügend wache Geistesgabe mitbekommen habe, um im aussichtslosen Falle das Richtige zu tun.
Mutter, zu Deinem Geburtstag werde ich mit meinen Sohneswünschen bei Dir sein. Ich kann Dir nichts schenken als meinen Dank, daß Du mir einmal das Leben gabst, - denn mag es jetzt auch noch so schwer sein, ich bin immer noch der festen Überzeugung, daß es sich lohnt zu leben und daß es jedem Menschen selbst in die Hand gegeben ist, sein Glück sich zu ergreifen.
In diesen Dank schließe ich die Bitte ein, Deine Liebe, die mich wachsen ließ, nun auf meine Familie, auf meine Kinder zu übertragen, denn ich werde lange Zeit nicht für sie sorgen können. Und die Zeit ist schwer, sie wird noch schwerer werden für mich und für Euch daheim.
Aber bringt nicht jeder Winter immer wieder den Frühling und jeder Regen den Sonnentag?
Daß Du diese selbe Zeit erlebst, gesund erlebst und das im Kreise Deiner Kinder und Enkelkinder (Dich) darüber freust, daß wir alle einmal wieder daheim sind, das ist mein Geburtstagswunsch.
Fredy
Alfred Pawelzick war Angehöriger der 2. Kompanie, Grenadier-Regiment 322 (281. Inf.-Div.). Er wird seit März 1945 südlich von Stargard vermisst.
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