Drei Feldpostbriefe (vom 14. und 18. November 1944 und vom 19. Februar 1945), sowie 2 Briefe aus der Gefangenschaft von Oberleutnant Friedrich Willbrand, die an seine Frau, sowie an seinen Sohn gerichtet sind.
14.11.1944
Mein herzliebes einzig liebes Frauchen,
gestern war mal wieder ein sehr großer Glückstag für mich, es kam nach langer, langer Zeit mal wieder Post an. Und das ist für uns hier ein sehr großer Freudentag, das kannst Du Dir ja denken, mein Herzensliebling. Von Dir, mein liebes Hannachen, erhielt ich 2 Briefe, einen vom 3. und einen vom 26.10.,von ganzem Herzen danke ich Dir mein Herzchen, für die lieben Zeilen.
Nun, die Aufregung um mich hat sich ja behoben, aus der einen Gefahr bin ich heraus, allerdings leben wir auf unserer einsamen Kurlandfront ja immer in Gefahr, wenn der Russe augenblicklich hier auch nicht angreift, aber sein Schießen wird doch schon lebhafter. Hoffentlich kommt nicht noch einmal eine solche Schweinerei. Von Lansemann fehlt jede Spur, er ist wohl tot oder den Russen in die Hände gefallen, was wohl dasselbe ist. Mit Mutter ist es ja schlimm, hoffentlich wiederholen sich diese Schwindelanfälle nicht häufig. Sag ihr bitte, ich wünsche ihr recht gute Gesundheit. Ebenso auch Vater, dem es ja leider auch nicht besonders gut geht. Horst's Erkältung war wohl nicht so schlimm, er hat es wohl überstanden. Sonst geht es hoffentlich doch allen gut, besonders auch Dir, mein Schätzchen. Ebenso ist wohl Gisela auch wieder auf dem Posten.
Nun fehlen ja vor dem 3. u. zwischen 3. u. 26. noch allerhand Briefe, so dass mir ein klares Bild von Euch fehlt, aber die kommen wohl später. So viel Post wie früher kann ich Dir jetzt ja nicht schreiben, dazu habe ich keine Zeit und keine Gelegenheit. Nun warst Du, mein liebes Frauchen auch krank und dazu noch zur Zahnbehandlung, Du armes Lieb. Hunger habe ich noch nicht gelitten, hoffentlich brauchen wir es auch nicht, einschränken wollen wir uns gern. Gisela arbeitet also in der Rüstungsindustrie, hoffentlich schafft sie es. Sag ihr nur, sie soll den Kopf nicht hängen lassen. Sie schafft ja auch für mich und für Euch, damit es uns gelingt den Krieg zu gewinnen.
Achim hat ja Glück gehabt, dass er in die Heimat gekommen ist. Wir sehnen uns alle danach.
Die Kinder haben einen Ziegenbock, dann sind sie ja selig. Könnte ich sie nur mal sehen und Dich mein Herzchen natürlich auch und Euch alle.
Mir geht es soweit ja gut. Ich bin mit meiner Kompanie noch Reserve, bin allerdings ½ km nach der Front vorverlegt. Das war auch so eine Sache. Am 10. bekam ich den Befehl, am 11. mittags sollte ich an der neuen Stelle mit meiner Kompanie wohnen, mitten im Walde ohne jede Unterkunft. Wir hatten zwar an der alten Stelle auch nur Erdlöcher, in denen 2 oder 3 Mann wohnten, aber sie waren doch in der Erde, wenn es auch gegen Beschuss nicht sicher war. Da haben wir nun gearbeitet was jeder nur leisten konnte. Bis gestern Abend haben wir es geschafft. Wir haben uns ganz anständige Bunker gebaut, schön tief in der Erde drinnen, das Dach schließt mit dem Erdboden ab, eine dicke Stammlage ist zwar erst drauf und Zweige und einen halben Meter Erde. Sie halten zwar noch keine großen Granaten ab, aber nach und nach legen wir noch 2 Lagen und Erde drauf, dann wohnen wir ziemlich sicher. In meinem Kp.-Gefechtsstand, in dem ich mit 8 Mann wohne, haben wir schon einen gemauerten Ofen, auf dem auch gleich für die Kp. morgens Kaffee gekocht wird. Auch Betten haben uns die Männer gebaut, für mich haben sie sogar noch ein schönes Eisenbettgestell aus den zerschossenen Häusern organisiert. 7 Bunker haben wir in 2 Tagen gebaut, allerhand Leistung. Hoffentlich können wir recht lange darin wohnen. Das Wetter ist ja immer noch ganz herrlich. Wir haben noch einige Grad Wärme, es regnet auch mal immer etwas, aber das lässt sich alles ertragen.
Mein einzig liebes Hannachen, Euch allen recht herzliche liebe Grüße, alles Gute und Dir Schätzchen, viele tausend heiße innige süße liebe Küsse.
Dein Fritz
18.11.1944
Mein lieber großer Dieter,
wenn Du diesen Brief noch nicht selber lesen kannst, lass ihn Dir von Mutti vorlesen. Wie geht es Dir denn, bist Du gesund und artig? Was machen denn Mutti, Gisela, Friedhelm, Horst, Hannelore, Karl Ernst, Mutter, Großvater, Großmutter, Tante Lotte, sind sie alle gesund? Kommen denn zu Euch auch noch die Flieger und müsst Ihr in den Keller? Habt Ihr auch noch Schule und lernst Du fleißig und Horst auch? Dann habe ich gehört Ihr habt einen Ziegenbock mit Geschirr und Wagen, das ist wohl eine feine Sache?
Mutti hat Dir wohl schon erzählt, dass ich mit meiner Kompanie ganz vorne bin, wo die Russen sind. Wir haben einen tiefen Graben in die Erde gegraben, so tief, das man nicht rausgucken kann. Darin gehen wir entlang und so kann uns der Russe nicht sehen. Der Graben geht immer im Zickzack so : /\/\/\/\/\ , er hat lauter Ecken, sonst könnte der Russe darin entlang schießen und würde gleich viele Soldaten treffen. An vielen Stellen haben wir dann etwas höher gebaut. Von dort schießen wir mit Gewehr und Maschinengewehr auf den Russen. Vor dem Graben ist dann auch noch Draht, damit der Russe nicht so dicht heran kann. Die Soldaten haben sich große Löcher in die Erde gegraben und mit dicken Stämmen und Erde zugedeckt, das sind die Bunker. Da schlafen die Soldaten drinnen. Öfen haben sie sich aus großen Milchkannen gebaut. Richtige Öfen haben wir hier ja nicht und es ist ja schon sehr kalt, es friert und schneit. So hilft sich dann der Soldat.
Der Russe schießt hier sehr viel mit Pak-Kanonen, die Häuser die hier stehen, hat er schon alle getroffen, darum können wir darin nicht wohnen. Die Soldaten schlafen auch meist nur am Tage. In der Nacht müssen sie fast alle aufpassen, dass der Russe nicht kommt, wenn er aber kommt dann müssen alle schießen, damit der Russe ja nicht in unseren Graben kommt. Oder, die Soldaten müssen auch in der Nacht arbeiten, die Gräben tiefer machen, denn am Tage sieht es der Russe und er würde dann die Soldaten tot schießen. Betten haben wir auch nicht. Im Bunker sind Bretter hingelegt darauf liegt Stroh und darauf der Soldat. Er darf sich auch nicht ausziehen, er muss immer im Zeug, also in seiner Uniform und sogar mit Stiefel schlafen. Das wäre ja so was für Euch, da brauchtet Ihr Euch des Abends nicht ausziehen und morgens wieder anziehen, aber Mutti würde Euch schon, was?
Ich wohne in einem anderen Bunker, davon schreibe ich ein anderes Mal.
Mein Hund und mein Pferd habe ich nicht hier, die sind weiter hinten, sonst würden sie hier totgeschossen.
Nun wünsche ich Dir alles Gute, bleib schön gesund und artig, denk auch manchmal an mich, kannst mir auch mal schreiben und sei recht herzlich gegrüßt von Deinem
Vati
19.2.1945
Mein herzliebes Frauchen!
Einen recht lieben Gruß, mir geht es noch gut, hoffe dass es auch bei Euch so ist. Ich habe nur mal wieder mit den Zähnen zu tun, aber es ist ja nicht so schlimm. Wir führen noch unser Waldleben, doch das stört uns nicht, wenn wir nur den Russen hier abwehren können. Was hier vernichtet oder gebunden wird, kann nicht in unserer Heimat hausen. Da ist ja nun auch eine feste Front geschaffen, es wird ihm hoffentlich kein Einbruch mehr gelingen. Wie sieht es denn bei Euch aus, wenn man sich nur mal ein Bild von zu Hause machen könnte. Aber hoffentlich ist bald die entscheidende Wende.
Nun mein liebes Frauchen wünsche ich Dir alles Gute, grüße Dich recht herzinnig
Dein Fritz
Grüße recht schön die Kinder und Eltern.
17.5.46
Mein herzliebes Frauchen, liebe Kinder, Mutter, Eltern u. Lotte!
Endlich kann ich Euch nun auch eine Nachricht senden. Vielleicht habt Ihr über mich schon etwas gehört. Mir geht es gut, war zwar längere Zeit krank und in Krankenhausbehandlung, bin nun aber wieder vollständig gesund, brauchst Dir keine Sorgen um mich machen. Hoffentlich können wir bald zu Euch zurück. Aber wie sieht es bei Euch aus, habt Ihr die schwere Zeit alle gut überstanden? Meine Gedanken sind immer bei Euch und ich mache mir doch viele Sorge um Euch. Die Hauptsache ist aber, ich treffe Dich mein Liebling die Kinder alle, Mutter, Eltern und Lotte bald alle gesund an. Wir werden dann uns wohl in Göllingen oder Eschenrode unser Leben aufbauen. Aber das sind kleine Sorgen, wenn ich Euch nur gut wieder sehe. Gib mir bitte auf die Rückantwortkarte sofort Nachricht, ich warte ungeduldig darauf.
Nun mein Herzchen sei innig lieb gegrüßt und geküsst von Deinem Fritz.
Recht liebe Grüße an Mutter, Kinder, Eltern, Lotte
8.7.46
Mein herzliebes Hannele, liebe Kinder, liebe Mutter, liebe Eltern + Lotte!
Hoffentlich ist meine Post vom Mai angekommen und ich bekomme diesen Monat auch noch Nachricht von Euch, denn ich warte ja sehnsüchtig darauf das wirst Du, mein Liebling, ja verstehen. Herzliche Glückwünsche zu Karlernst, Deiner Mutter und Friedhelm`s Geburtstag, wünsche Euch alles Gute und hoffe im nächsten Jahr alle Feiern bei Euch verleben zu können. Mir geht es dem Umständen nach gut. Ich habe einen Monat im Walde gearbeitet und bin jetzt in der Stadt als Handwerker beschäftigt. Hoffentlich kommen wir aber bald zu Euch, ich habe solche Sehnsucht nach Euch allen. Um mein Wohlergehen brauchst Du mein Herzchen, Dir keine Sorgen zu machen.
Aber wie sieht es bei Euch aus, wenn nur alles gesund ist und ich Euch alle wieder antreffe. Was werde ich denn beginnen, wenn ich zurück komme? Wie wäre es mit der Landwirtschaft, aber das hat ja alles Zeit bis ich dort bin. Wenn Du mal nach S. fährst, sieh doch mal bei Tierarzt Ehrhard mit vor, er wohnt in der Nähe des Possenweges, er hat vielleicht was für mich, vergieß es aber bitte nicht. Ich möchte ja so gern mal bei Euch sein um zu sehen wie es Euch geht, ob Ihr keine Not leidet. Hier wird viel für Abwechslung im Lager gesorgt, Gottesdienst, Theater, Musik, Vorträge, Sport aller Art und dann hat man die Arbeit, da sieht man auch viel in der Stadt.
Hast Du Nachricht aus Pömmelte und Eschenrode?
Nun alles Gute und recht viele Grüße und viele liebe Küsse mein Liebling.
Dir, Gisela, Friedhelm, Dieter, Horst, Hannelore, Karlernst, Mutter, Eltern, Lotte + allen Bekannten und Verwandten auf gute Nachricht und baldiges Widersehen.
Oberleutnant Friedrich (Fritz) Willbrandt war Angehöriger der Stabskompanie, Infanterie-Sicherungs-Regiment 113, zum damaligen Zeitpunkt Division z.b.V. 300. Er geriet am 8. Mai 1945 in Tukkums in sowjetische Gefangenschaft. Am 9.4.1947 verstarb er in Saporoshje, im Hospital des Lagers 100.
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