Hans Henke wurde am Ende des 1. Weltkriegs in Düsseldorf geboren. Als er in den letzten Tagen des 2. Weltkriegs in Kurland starb, hatte er von den 27 Jahren seines Lebens acht "in Uniform" verbringen müssen.
Nach einer Lehre als Bankkaufmann in den Jahren 1934 - 1936 folgten der sechsmonatige Reichsarbeitsdienst sowie zwei Jahre als Wehrpflichtiger. Direkt anschließend begann für ihn das Leben als einfacher Soldat im Krieg. Er kam zur Luftwaffe und diente an verschiedenen Fronten als Sanitäter.
Schließlich gehörte er im November 1944 zu den 850 Männern, die der sehr abgekämpften 24. Infanterie-Division als Ersatz zugewiesen wurden. Diese Soldaten der Marine oder der Luftwaffe, die dort verzichtbar geworden waren, kamen in ihrer neuen Einheit - ohne jede infanteristische Gefechtsausbildung und -erfahrung - sofort nach ihrem Eintreffen zum Einsatz in den harten Kämpfen dieser Division gegen die Rote Armee. Hans Henke fand seinen Platz "als Sani" im Kompanietrupp der 5. Kompanie des Grenadier-Regiments 32.
Als am 18. März 1945 die sog. Sechste Kurland-Schlacht begann, verlief die Front an seiner Einsatzstelle entlang der Straße zwischen den Ortschaften Lielblidiene und Pilsblidiene, östlich von Frauenburg (Saldus). Dort, "1 km ostw. Tuski", ist der San.-Obergefreite Hans Henke am 19.3.1945 im Alter von 27 Jahren gefallen. Er konnte dort auch noch beerdigt werden.
Sein letzter Brief datiert vier Tage vor seinem Tod und war an seine Verlobte gerichtet. Es ist ein eindrucksvolles Dokument der Sorge und Trauer, der Müdigkeit und Verzweifelung, der Verbundenheit und Liebe sowie einer in diesem Elend doch noch fortbestehenden, diffusen Hoffnung auf ein gemeinsames Leben in der Zukunft.
15.03.1945
Meine liebe, gute Leni!
Nun kann ich Dir wenigstens mal wieder schreiben, da ich Deine Adresse habe*). Es ist ein Brief geschrieben in freier Natur, draußen im Felde. Wir sind in hartem Einsatz, da kannst Du Dir denken, Lenilein, dass ich kaum zum Schreiben komme. Aber Du siehst, ich lebe noch und bin heil u. gesund.
Und wie geht es Dir, meine Liebe? Mache Dir nicht allzu viel Sorgen, einmal müssen auch diese unnatürlichen Verhältnisse ein Ende nehmen. Es schreit ja bald zum Himmel. Wie bist Du denn nun als Flüchtling untergekommen**)? Ist Mutter mitgekommen, wo bist Du beschäftigt? Was macht Deine Schwester und Schwager? Auch mein Bruder musste aus Düsseldorf fliehen. Wo sollen wir uns alle mal wiedersehen? Es ist ja alles so maßlos traurig, aber trotzdem, Lenilein, bitte den Kopf hochhalten u. nicht verzagen! Der Krieg ist bestimmt in diesem Jahr aus. Hoffentlich sind wir beide dann noch gesund, dann kann noch alles gut werden in diesen unseligen Zeiten.
Leider klappt nun auch der Heiratsurlaub nicht mehr, so sehr es mir leid tut, ich habe alles versucht. Eventuell zum Sommer soll es wieder offen sein, aber was wird dann? Wollen wir das 1/2 Jahr bis zum Kriegsende warten, vielleicht passiert sonst was!
Bitte schreibe mir mal einen lieben, langen Brief u. schütte mir das Herz aus. Wenn wir wieder mal an einem warmen Ort sind, schreibe ich mehr. Es sind die Umstände zu schwierig für einen langen, durchdachten Brief. Ich wollte Dich nur nicht so langen mit Post warten lassen. Hoffentlich kommt überhaupt noch etwas durch. Frage auch immer mal wieder in Erwitte***) an bei Tante Dora oder in Annaberg****) bei Dota, ob ich geschrieben habe. Du bist ja nicht mehr weit von Dota.
Ach, könnte ich Euch doch mal bald sehen, aber, aber es gilt durchhalten, wie lange noch? Bleib mir gut, Lenilein, u. denke immer an mich hier draußen, wo ich an Dich denke.
Alles, alles Gute u. 1000 Küsse
immer
Dein Hans
Schreibe bald!
*) weil die Verlobte aus Guben hatte flüchten müssen, war ihre neue Adresse einige Zeit lang unbekannt
**) in Leipzig
***) in Westfalen bei Lippstadt
****) im Erzgebirge
© Heinz Henke
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