Feldpostbriefe des Obergefreiten Günther Klinge an seine Eltern, geschrieben zwischen August 1944 und Mai 1945


Die mit (*) versehenen und kursiv gedruckten Textstellen sind nicht Bestandteil der Feldpostbriefe, sondern spätere Anmerkungen des Autors.



Döberitz, 16. August 1944

Seit Sonntag bin ich in Döberitz und warte hier auf meine Abstellung, die sich aber noch einige Wochen hinausschieben kann.
Vorgestern war ich in Berlin. Mit der Eisenbahn kann man bequem in einer Stunde in der Stadt sein. Trotz allem Terror ist Berlin immer noch die Stadt, wo alles eilt und hastet; man wird unwillkürlich mitgerissen vom Strom der Masse, ob man will oder nicht. Am späten Abend war ich in der "Berolina", einem Soldaten-Nachtkabarett. Ein schönes und reichhaltiges Programm unterhält durchreisende Soldaten und vertreibt ihnen die Stunden, statt müßig auf dem Bahnhof zu sitzen. Bis früh um halb 5 bin ich dort geblieben. Ein Fläschchen Rotwein hat mich noch in eine Stimmung versetzt, in der man nicht gerne nach Hause gehen will.
Um 7 Uhr kam ich dann endlich nach Döberitz zurück. Während des Dienstes konnte man mich in einer versteckten Ecke finden und wie einen Halbtoten schlafen selten.
Morgen habe ich vor, zum Reichssportfeld zu fahren und bei der Gelegenheit im Olympischen Schwimmstadion zu baden.





Kurland, 12. September 1944

In den letzten Tagen war ich zu verschiedenen Dingen eingeteilt. Einmal musste ich eine Fernsprechleitung bauen und ein anderes Mal eine Telefonleitung abbauen.
Von der Front hört man überhaupt nichts. Die estnischen Sümpfe lassen auch keine größeren Kampfhandlungen zu.
Im Westen Deutschlands sieht es ja recht bedenklich aus. Die Amerikaner rücken immer näher an den Rhein. Aber wir werden schon Mittel finden, um das zu verhindern.
In Kürze soll ich mit einem Kameraden nach Deutschland reisen, um Ersatzteile für Funkgeräte an der Heeresnachrichtenschule in Halle zu besorgen. Vielleicht kann ich auch einen Abstecher nach Hause machen.




Im November 1944

Meine Deutschlandreise ist zu Ende. Wir liegen an Bord eines Frachters im Hafen von Danzig und warten auf die Abfahrt, die wahrscheinlich morgen erfolgen wird. Voll mit guten Sachen für die Front in Kurland ist unser Dampfer beladen. Große Mengen von Zigaretten, Schnaps, Likör und Schokolade sollen mit uns die Reise über die Ostsee antreten. Wenn der Russe mit seinen U-Booten und Torpedofliegern uns in Ruhe lässt, werden diese Erzeugnisse aus der Heimat den Kämpfern in Kurland viel Freude bereiten.
Wie wird es bei meiner Einheit aussehen? Die schweren Kämpfe werden auch hier ihre Spuren hinterlassen haben.

(*) Während der Überfahrt erfuhr ich von mitreisenden Kameraden erstmalig von den Gräueltaten in den Konzentrationslagern.




Kurland, 13. Januar 1945

Seit meiner Rückkehr nach Kurland hat sich bei uns manches ereignet. Die erste Zeit bis kurz vor Weihnachten verlief ruhig; man hatte durchaus nicht das Gefühl, an der Front im hartumkämpften Kurland zu sein. Doch am 21. Dezember morgens, pünktlich um 8 Uhr, begann der Russe mit mörderischem Trommelfeuer, das noch vom Krachen unzähliger Bomben begleitet war. Das war für uns das Zeichen dafür, dass der Iwan wieder anrollt, stürmt und sich wie immer blutige Köpfe holt. Aus dem Bunker konnten wir uns überhaupt nicht trauen, ohne uns mit der Wahrscheinlichkeit des Heimatschusses oder noch mehr vertraut machen zu müssen. An den Feiertagen verhielt sich der Russe verhältnismäßig ruhig. Es war eine Weihnacht, wie ich sie so schön noch nicht erlebt habe, eine echte Frontweihnacht! Den Gaben des Weihnachtsmannes nach zu urteilen mussten wir uns recht gut betragen haben und sehr artig gewesen sein. Silvester kam ich nach vorn zum Regiment. Hier erlebte ich schöne Tage. Ein Stellungswechsel führte uns bald in einen herrlichen Wald, unmittelbar hinter der Front. Die Truppe, die wir dort ablösten, hatte ganz fantastische Bunker angelegt, in die wir jetzt eingezogen sind. Durch das kleine Bunkerfensterchen hat man eine herrliche Aussicht auf den dichten Nadelwald, der aber leider gestern sein weißes Festkleid abgelegt hat. Unser Bunker ist sehr solide gebaut, die dicken Baumstämme über unseren Häuptern werden so leicht nicht zulassen, dass wir mit den feindlichen Granaten Bekanntschaft schließen müssen. Im Gefühl dieser Sicherheit verbringen wir hier eine Zeit, an die ich noch lange zurückdenken werde.

(*)Das war mein letzter Brief, den meine Eltern vor Kriegsende erhalten haben. Danach wurde keine Post mehr befördert, denn Kurland war vom Reich völlig abgeschlossen, auch in der Luft.




Obergefreiter Günther Klinge, Funker in der Nachrichtenabteilung der 563. Volks-Grenadier-Division, damals 23 Jahre alt.


Siehe auch Erlebnisbericht 8
"Beginn der Gefangenschaft in Kurland"





Hauptmann Erich Neuß (24. Inf.-Div.): Feldpostbriefesammlung
06.07.1944 - 23.03.1945



Unteroffizier Hans Hamelberg:
Letzter Brief an die Mutter

24.11.1944
Major Heinrich Ochssner:
Letzter Brief an die Ehefrau

16.09.1944
Obergefreiter Karl Meyer:
Brief an die Familie

15.12.1944
Brief über die
Suche nach einem Grab

11.01.1945
Obergefreiter Wilhelm Schierholz:
Letzter Brief an die Eltern

22.10.1944
Leutnant Helmut Christophe:
Brief an die Tante
sowie die Todesmeldung, übermittelt vom Btl.-Komm.

15.01./5.02.1945
Gefreiter Ewald Fiedler:
2 Briefe an die Schwester

12.09./14.12.1944
Obergefreiter Günther Klinge:
Brief an die Eltern

16.08.1944-13.01.1945
Obergefreiter Eugen Lamprecht:
Gedicht zum Abschied

Herbst 1944
Obergefreiter Paul Pyschik:
Der letzte Brief vor der Gefangenschaft

6.08.1944
Obergefreiter Werner Richey:
Der letzte Brief aus Kurland

14.12.1944
Oberfeldwebel Jakob Trimborn:
Letzter Brief an die Schwester

20.01.1945
Hauptmann Edgar Bothe:
2 Briefe an die Familie

28.10.1944 / 22.03.1945
Soldat Ernst Andresen:
Genesungswünsche der Kameraden

26.12.1944
Soldat Erich Baars:
Letzter Brief an die Schwiegereltern

28.10.1944 / 22.03.1945
Soldat Alfred Pawelzick:
Brief an die Mutter

02.11.1944
Oberleutnant Friedrich Willbrand:
Briefe an die Familie

14.11.1944 - 08.07.1946
Unteroffizier Josef Meyer:
Briefe an die Schwiegermutter

14.02.1945
Unteroffizier Oswald Pelzer:
Letzter Brief aus dem Lazarett

01.01.1945
Obergefreiter Wilhelm Haller:
Letzter Brief an Frau und Sohn

Anfang 1945
Hauptfeldwebel Walter Kaese:
Brief an die Ehefrau

08.04.1945
Walter Nagel:
Brief an die Schwester

18.07.1944
Feldwebel Horst Hesse:
Briefe an Hanna Seidel

03.07.1944
Sanitäts-Obergefreiter Hans Henke:
Letzter Brief an seine Verlobte

15.03.1945
Oberleutnant Heino Willers:
Todesnachrichten

08.03.1945 / 22.02.1948
Obergefreiter Ludwig Ehrbar:
Brief an seine Familie

14.11.1944


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