Letzter Brief von Obergefreiter Wilhelm Haller


Der Obergefreite Wilhelm Haller war Angehöriger der 3./ schwere Heeres-Panzerjäger-Abteilung 666. Seinen letzten Brief aus dem Kurland-Kessel schrieb er Anfang des Jahres 1945 an seine Frau und seinen Sohn Willi.


Meine liebe Hilde mit Willi!

Mit größter Freude erhielt ich bestens dankend Deinen Brief vom 5.1., doch mit Erstaunen muss ich über dessen Inhalt feststellen, dass in unserer Stadt wieder allerhand los war. Bisher hattet Ihr noch viel Glück und nun scheint der Teufel auch los zu sein. Ich kann mir gut vorstellen, in was für Sorge Du Dich befindest und ich kann Dir Hilde nur wünschen, dass Du immer die Nerven behältst. An dem bekannten Platz in unserem Keller kannst Du ruhig stehen bleiben, denn da hast Du soweit guten Schutz. Gegen einen Volltreffer kann man nichts machen und das wollen wir ja nicht hoffen, im Gegenteil, wir hoffen weiterhin, dass uns das Glück treu bleiben möge, bis man gar über dem Berg ist.

Gleichzeitig möchte ich Dich nochmals daran erinnern, dass in unserem Wohnviertel kaum etwas zu erwarten ist, als wie bei zusammenhängenden Straßenzügen, also nicht durch den allgemeinen Tumult und Aufregung aus dem Konzept bringen lassen, immer klar denken und danach handeln. Merke Dir stets Hilde, dass auch dies gelernt sein muss, wie wäre es sonst möglich, dass unsere Großstädte soviel zu ertragen müssen.

Nun ein anderes, leider auch nicht schönes Kapitel. Da wir durch Radio immer auf dem Laufenden sind, verfolgen wir mit Spannung den pausenlosen Vormarsch der Russen. Dass durch derart harte Schläge mit dem Schlimmsten gerechnet werden muss ist klar. Man mag gar nicht daran denken, furchtbare Zukunftsbilder gaukeln im Geiste einem vor. Vor allem würde unsere bisherige Trennungszeit wer weiß wie lange verlängert und was das bedeutet, können wir heute noch gar nicht ermessen. Ein solches Schicksal würde an stärksten Nerven zehren, die größte Geduldsprobe unseres Lebens müsste unter Beweis gestellt werden, doch für seine liebe Familie und für sich selbst ist kein Opfer zu groß. Noch ist es nicht soweit und ... zu unserem Guten wendet. Immer ging es einen Weg und so wollen wir beide, was uns betrifft, an unseren guten Stern glauben. Unsere Vergangenheit hilft uns da sehr schön, diesen Glauben zu stärken, was war da nicht schon alles, was einem nicht passte und doch verlief es zu unserem Besten. Und das dürfen wir nie vergessen.

Meine Gedankengänge will ich nun beenden, mein Plauderstündchen mit Dir geht zu Ende. So wie es draußen beginnt langsam zu tagen, so wird auch unsere Zukunft langsam wieder hell werden.

Dann Hilde habe ich Dir mal vor längerer Zeit von einem Rückzug erzählt, der damals leider wie man so sagt, ins Wasser gefallen ist, ist nun plötzlich jenes Thema wieder zur Debatte gekommen. Meine Maschine habe ich schon abgegeben und ich warte der Dinge, welche in den nächsten 4 Wochen kommen werden. Ich hoffe, dass nun dieser zweite Versuch zu dem gewünschten Erfolg führt.

Sei nun bis zum nächsten Mal...

Auf ein baldiges
"Wiedersehen"


Kommentar zum Brief:

Dieser Brief war aller Wahrscheinlichkeit nach meines Vaters letzte Nachricht an meine Mutter aus dem Kurland-Kessel, bevor er in russische Gefangenschaft kam. Darum wurde dieser Brief von der ganzen Feldpost aufgehoben. Es kommt darin die ganze Tragweite des abzusehenden, unheilvollen Endes dieses wahnsinnigen Waffenganges des Naziregimes als persönliches und familiäres Martyrium zum Ausdruck. Er bereitete meine Mutter schon auf eine lange, leidensvolle Trennungszeit vor, da er Fürchterliches ahnte, wenn er in russische Hände fällt. Mein Vater versucht mit seinem Brief meine Mutter zu beruhigen und erinnerte sie an die Stelle im Keller, die er als erfahrener Frontkämpfer für uns ausgesucht hatte.
Wie er weiter schreibt, hat er seine Zugmaschine vor dem 30. Januar 1945 abgegeben wegen eines vermutlichen Rückzuges aus Kurland.

Willi Haller, Paraguay





Hauptmann Erich Neuß (24. Inf.-Div.): Feldpostbriefesammlung
06.07.1944 - 23.03.1945



Unteroffizier Hans Hamelberg:
Letzter Brief an die Mutter

24.11.1944
Major Heinrich Ochssner:
Letzter Brief an die Ehefrau

16.09.1944
Obergefreiter Karl Meyer:
Brief an die Familie

15.12.1944
Brief über die
Suche nach einem Grab

11.01.1945
Obergefreiter Wilhelm Schierholz:
Letzter Brief an die Eltern

22.10.1944
Leutnant Helmut Christophe:
Brief an die Tante
sowie die Todesmeldung, übermittelt vom Btl.-Komm.

15.01./5.02.1945
Gefreiter Ewald Fiedler:
2 Briefe an die Schwester

12.09./14.12.1944
Obergefreiter Günther Klinge:
Brief an die Eltern

16.08.1944-13.01.1945
Obergefreiter Eugen Lamprecht:
Gedicht zum Abschied

Herbst 1944
Obergefreiter Paul Pyschik:
Der letzte Brief vor der Gefangenschaft

6.08.1944
Obergefreiter Werner Richey:
Der letzte Brief aus Kurland

14.12.1944
Oberfeldwebel Jakob Trimborn:
Letzter Brief an die Schwester

20.01.1945
Hauptmann Edgar Bothe:
2 Briefe an die Familie

28.10.1944 / 22.03.1945
Soldat Ernst Andresen:
Genesungswünsche der Kameraden

26.12.1944
Soldat Erich Baars:
Letzter Brief an die Schwiegereltern

28.10.1944 / 22.03.1945
Soldat Alfred Pawelzick:
Brief an die Mutter

02.11.1944
Oberleutnant Friedrich Willbrand:
Briefe an die Familie

14.11.1944 - 08.07.1946
Unteroffizier Josef Meyer:
Briefe an die Schwiegermutter

14.02.1945
Unteroffizier Oswald Pelzer:
Letzter Brief aus dem Lazarett

01.01.1945
Obergefreiter Wilhelm Haller:
Letzter Brief an Frau und Sohn

Anfang 1945
Hauptfeldwebel Walter Kaese:
Brief an die Ehefrau

08.04.1945
Walter Nagel:
Brief an die Schwester

18.07.1944
Feldwebel Horst Hesse:
Briefe an Hanna Seidel

03.07.1944
Sanitäts-Obergefreiter Hans Henke:
Letzter Brief an seine Verlobte

15.03.1945
Oberleutnant Heino Willers:
Todesnachrichten

08.03.1945 / 22.02.1948
Obergefreiter Ludwig Ehrbar:
Brief an seine Familie

14.11.1944


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