Stafversetzung nach Kurland


Der Nachfolgende Bericht stammt aus den Jugenderinnerungen von Herbert Flegel. Weil sich fast die gesamte Kompanie weigerte nach der Ausbildung zur Waffen-SS zu wechseln, wurde er – wie seine Kameraden auch – zu einer Bewährungseinheit nach Kurland strafversetzt.



Am 27. Dezember ging es dann los nach Danzig zur Einschiffung in den Kurlandkessel. Was uns dort erwartet war noch keinem von uns bewusst. Wir waren in Danzig in einer Schule untergebracht, verblieben aber nur eine Nacht in Danzig, dann wurden wir im Hafen in einem Sarisani-Dampfer eingeschifft oder wie man das nennt. Überall stank es nach Pferde- und Tiermist und überhaupt nach Tieren. Die Betten hatten drei Etagen und der Dampfer war mit Landsern voll gestopft. Die Überfahrt verlief einigermaßen ruhig, es war Nacht und sehr neblig, so dass die Russen nicht mit Flugzeugen oder U-Booten angreifen konnten. Die Ostsee war zeitweise sehr unruhig und der Wellengang etwas hoch. Moschke Waldo wurde es plötzlich im Laderaum sehr übel und ich bin mit ihm aufs Deck gegangen damit er Frische Luft bekam. Da hingen schon viele Landser an die Reling und haben die Fische gefüttert. Auch von meiner Kompanie haben viele die Seekrankheit bekommen, ich habe nichts gespührt, konnte weiter Essen und Trinken, nur das Laufen an Deck und unter Deck machte Schwierigkeiten. Nach zwei Tagen auf dem Sarisani-Dampfer Ankunft im Hafen von Liebau. Nach dem Ausladen warteten schon die Lkw's um uns an die Front zu bringen. Nur das Sturmgepäck und ein paar private Sachen durften wir behalten, alles andere übernimmt der Tross. Nach kurzem Stopp an der Frontleitstelle in Liebau ging es zu einem Feldflugplatz und dann ab mit der JU 52 an die Front bzw. HKL des Kurlandkessels. Jetzt erst wird es uns bewusst welche Auswirkung unser Streik und die damit verbundene Strafversetzung noch Kurland haben. Wir werden überall wie Schwerverbrecher behandelt, die das Deutsche Volk verraten haben. Die Militärpolizei behandelt uns tatsächlich wie den letzten Dreck und droht damit, dass unser Einsatz entsprechend unserem Verhalten besonders hart sein wird. Nach kurzem Flug Landung in der Nähe von Priekule, hier soll augenblicklich eine der großen Kurlandschlachten toben. Auf dem Flugplatz ist schon das Artilleriefeuer zu hören. Wir werden noch cirka 20 Kilometer mit dem Lkw an die Front gefahren. Vor uns ist wie eine Wand die Feuerwalze der Russen zu sehen. Mit allem Gepäck antreten und ab geht es dieser Feuerwalze entgegen, da war das Sperrfeuer der Amis dagegen sehr lahm. Es war der reinste Wahnsinn, es waren noch etwa zwei Kilometer vor uns aber wir näherten uns mit jedem Schritt diesem Grauen. Als wir ungefähr 300 Meter vor dem Fiasko standen kam der Befehl Schützenkette bilden und hinein in die Wolke aus Feuer, Eisen uns Dreck, da müssen wir sogar hindurch. Als der Befehl kam "Marsch, Marsch" haben bestimmt viele von uns bereut nicht zur Waffen-SS gegangen zu sein, denn so etwas hatte noch keiner von uns erlebt. Ich kann es gar nicht so richtig beschreiben, wir können uns nur von Granattrichter zu Granattrichter vorwärts bewegen, es ist die Hölle und mit der Westfront gar nicht zu vergleichen.. Wir sind zwar einiges gewöhnt, aber diese Kriegsführung hier kann nur auf das Abschlachten einer volksfeindlichen Einheit abgestimmt worden sein. Mein Schütze II ist der Waldo Moschke aus Pulsnitz bei Dresden. Er hat schon immer eine Heidenangst vor den Russen. Ich habe ihm gesagt, er sollte beim Angriff immer hinter mir bleiben und immer meine Granattrichter als Deckung benutzen, plötzlich sehe ich ihn etwa 3o Meter rechts neben mir aus einem Trichter kriechen. Dass war das letzte mal das ich Waldo lebend gesehen habe.

Nach einer Stunde haben wir dann die HKL erreicht. Von einer HKL konnte man aber nicht mehr sprechen, es war nur noch ein wüstes Gelände, bestehend aus Granatlöchern und Dreckhaufen und natürlich lagen überall noch deutsche und russische Soldaten, zum Teil nur noch Bruchstücke, auf diesem Gelände herum - wir waren alle geschockt davon. Jeder von uns versuchte nun krampfhaft eine einigermaßen gute Deckung zu finden oder sich schnell ein Loch aus zu buddeln. Das alles mussten wir ausführen bei einem Dauerbeschuss durch Granatwerfer, Artillerie und Stalinorgel, denn nach dem Feuer kommt ganz bestimmt der Angriff. Es war dann auch so, wir waren noch keine Stunde in der Stellung, da griff der Russe an. Da meine Lafette durch den Verlust von Waldo für das MG fehlte, habe ich von der Einheit, die wir ablösen oder verstärken sollten, eine Lafette erhalten. Dann kamen die Russen, ich habe so etwas nicht für möglich gehalten, die Russen sind gegen unsere Stellung angerannt wie die Blöden, ob sie damit gerechnet hatten, dass nach dem Trommelfeuer keiner von uns noch am Leben ist, oder ob sie alle besoffen waren. Jedenfalls sind sie Schützenreihe auf Schützenreihe in unsere MG-Garben gelaufen und wir mussten sie Reihe auf Reihe abschießen, sie sind mitunter über ihre gefallenen Kameraden hinweg gestiegen und weiter in unser Feuer gelaufen. Als dann die russischen Panzer mit eingriffen, klappte die Abwehr unserer Pak und Flak so gut, dass in ganz kurzer Zeit zehn russische Panzer außer Gefecht gesetzt wurden und sich zurückzogen. Da gingen auch die Fußtruppen des Iwans zurück. Sie hatten bestimmt nicht mit so einer Abwehr gerechnet nach diesem Trommelfeuer. Erst jetzt kamen wir zur Besinnung und hatten Zeit uns um unsere Kameraden zu kümmern, die beim Vorgehen in die Stellung und bei dem Angriff verwundet oder getötet wurden. Meine Gruppe war noch halbwegs glimpflich davon gekommen, wir mussten nur Waldo Moschke als vermisst melden. Bei den anderen Gruppen war es schlimm, über die Hälfte waren gefallen oder verwundet, die gesamte Kompanie hatte 40 % Ausfälle.

Ich habe noch zwei Tage nach Waldo gesucht, aber nichts aber auch gar nichts von ihm gefunden, er muss voll von einer Granate getroffen worden sein.

Wir waren erst kurze Zeit in der HKL, da rückte die Einheit ab, die wir ablösen sollten. Von dem Kommandeur dieser Einheit haben wir erfahren, dass wir dem Sturmbataillon 88 angehören, ein Strafbataillon, bei dem die Angehörigen und zum Teil auch die Offiziere mit der Waffe beweisen müssen, dass sie sich an der Front bewähren und damit ihr Verbrechen wieder gut machen wollen oder müssen. Das soll heißen, ein Strafbataillon mit Frontbewährung mit Waffen. Eigentlich ein Risiko für die Wehrmacht - mit Waffen.

Unser Hauptmann hat uns dann klar gemacht, dass wir immer dort eingesetzt werden, wo es brenzlich ist oder, wo ein Todeskommando gebraucht wird und dass wir nirgends lange in einer Stellung bleiben werden. Wie Recht er hatte, haben wir dann später zur Genüge erfahren müssen.

Diesmal haben wir den Russen noch mal aufhalten können, denn wir waren ja doppelt besetzt und die Artillerie hat einwandfrei eingegriffen. Aber wie soll es weitergehen an irgendeinem anderen Frontabschnitt?

Aber es kam anders als wir dachten. Ein paar Tage später kam die Ablösung und wir erhielten den Befehl zum Rückzug. Uns war allen klar, dass es wieder an einen Frontabschnitt geht, an dem es gefährlich war. Leider kann ich hier in Kurland nicht mit genauen Daten aufwarten, denn unser Gepäck war in Liebau geblieben und war dann später von unserem Tross übernommen worden. Mein Tagebuch natürlich dabei, habe deshalb meine Notizen auf ein paar Zetteln gemacht und diese sind dann bei dem Rummel auch noch manchmal verloren gegangen. Auf alle Fälle war ich vom 2. Januar 1945 bis zum 22. April im Kurlandkessel strafversetzt und meistens in der HKL und das dort, wo immer Krawall herrschte. Auch ich habe, wie viele meiner Kameraden, im Stillen bereut an der Westfront gestreikt zu haben, denn ein Vergleich zwischen West- und Ostfront kann man nicht beschreiben.. Vielleicht so, im Westen wurde Krieg geführt, aber hier an der Ostfront herrscht brutale Vernichtung. Hier spielt der Mensch gar keine Rolle, er ist nur ein Mittel zum Zweck. Hier geht es nur um Landgewinn und um das Töten und zwar so grausam wie möglich. Und bei uns Soldaten geht es um DU oder ICH, das ist hier die Parole.

Unser nächster Einsatz erfolgte zwei Tage später. Eine kleine Anhöhe in der Nähe von Priekule, der Stab nannte es die Höhe 80. Sie war weiter nichts als ein Erdbunker und ein paar niedrige Schützengräben, die MG-Stellung und der Vorposten waren mit einem Kugelfang aus Baumstämmen versehen. Die Stämme lagen nebeneinander längs der Gräben. Ein Kugelfang für Karabiner- und MG-Feuer, aber eine Gefahrenquelle bei Artilleriefeuer. Unsere Einheit ist hier auch aufgefüllt worden, aber auch hier nur mit Landsern die etwas auf dem Kerbholz hatten, oder mit unserem Führer nicht ganz einverstanden waren. Plötzlich hörte ich einen sächsischen Akzent, es war wie Weihnachten und Ostern zusammen, denn die Einheit, der wir zugeteilt waren, ist eine Bremer Division, die 225. (Watzmann). Die Burschen reden nur Plattdeutsch.

Es war sogar eine aus unserer Nähe, es war Arno Lehmann aus Glaubitz bei Riesa und er war bei der Feldpolizei gewesen, er hatte auch etwas getan, mit dem seine Vorgesetzten nicht einverstanden waren, deshalb war er bei unserer Einheit gelandet. Ich habe ihn nie gefragt, warum und weshalb, später hat er mir berichtet, wie bei der Gestapo und der Waffen-SS mit den Soldaten umgegangen wird, die nicht mehr so spuren, wie diese wollen. Auch die Methoden, wie die russischen Gefangenen und die Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten behandelt werden, hat er mir erzählt. Alles haben die Halunken uns ja auch nicht auf die Nase gebunden, aber es war ganz schön hart für mich, was Arno da gesagt hat. Ich habe aber davon gelernt und meine Meinung über unsere derzeitige Lage und über die Nazis wurde deshalb nicht besser.

Unsere Lage auf dieser Anhöhe war wirklich nicht die beste. Keine richtige Deckung, nur die Baumstämme, der linke Anschluss war etwa 500 Meter von uns entfernt und rechts war es auch nicht viel besser. Es war ein ganz schönes Loch was wir mit den 20 Mann und zwei MGs stopfen sollten, ein paar Panzerfäuste (Faust und Gretchen) und Gewehrgranaten war unsere ganze Bewaffnung. Essen konnten wir nur nachts holen, weil wir über ein freies Feld, ohne jede Deckung, laufen mussten. Sobald die Essenkübel klapperten, wurden wir von den Russen mit Granatwerfern beschossen. Schon beim Vormarsch wurde ich vom Kompaniechef zum Gruppenführer ernannt, da mein Vorgänger beim letzten Einsatz gefallen war.

Er sagte mir, dass die Frontbewährung von der Westfront anerkannt worden ist, aber eine Beförderung zum Unteroffizier oder eine Ordensverleihung nicht in Frage käme.

Anfangs war es sehr ruhig hier, nur die russischen Scharfschützen machten uns zu schaffen, sie schossen auf alles, was sich bewegte und trafen auch oft. Die Gräben konnten wir nur soweit absenken, wie sie am Tage auftauten und das nur im Liegen oder in der Hocke.

Arno Lehmann hatte sich ein Scharfschützengewehr besorgt und hat den Russen auch Schwierigkeiten bereitet, obwohl er manchmal ganz schön mit seinem Leben spielte, indem er zu faul war nach jedem Schuss seinen Standpunkt zu wechseln. Dadurch wurde er von den Russen besser entdeckt und auch beschossen. Auch bei den Angriffen der Russen später, hat er immer die Kommissare aufs Korn genommen und auch getroffen. Bloß ich hatte keinen Schützen II und musste oftmals selbst eingreifen.

Eines Tages fingen die Russen 300-500 Meter vor unserer Stellung an mit Sägen und Hämmern. Wir nahmen an, dass sie ihre Stellung ausbauen wollen. Ein altgedienter Landser sagte uns aber, dass sie einen Tisch bauen, um uns mit ihrer Pak zu erreichen. Da ging uns allen erst ein Licht auf, wir hörten immer ihre Abschüsse und dann pfiffen die Granaten über unsere Gräben hinweg und explodierten irgendwo in der Gegend. Einen Tag später wurde es ruhiger bei den Russen das Sägen und Pochen hörte plötzlich auf, der Landser sagte: "Passt auf, jetzt geht es gleich los." Es war auch so, kurze Zeit später hörten wir die Abschüsse der schweren russischen Pak. Die ersten Granaten fauchten noch ganz knapp über uns hinweg, aber kurze Zeit später schlugen diese in den Kugelfang, also die Baumstämme in unserer Stellung, ein. Sie flogen uns wie die Streichhölzer um die Ohren und natürlich noch gewaltige Mengen Dreck, Schlamm und Splitter. Unser Graben war höchstens einen Meter tief und durch den Dreck kamen wir immer höher und es hätte nicht mehr lange gedauert und wir wären von der Pak erwischt worden. Die Stämme, die uns als Kugelfang dienen sollten, lagen überall herum und einige meiner Kameraden waren durch sie schon verletzt worden. Ich wusste keinen Ausweg mehr und habe durch Leuchtkugeln unsere Situation angezeigt. Kurze Zeit später fingen die DO-Geräte hinter unserer Stellung an zu feuern, erst mit Sprenggranaten und dann mit Flammenöl. Ich selbst hatte DO-Geräte in diesem Umfang noch gar nicht gehört, geschweige denn fliegen sehen. Die Abschüsse hörten sich an, wie das Zuschieben eines rostigen Scheunentores und die Geschosse torkelten über uns hinweg. Mit den ersten Einschlägen hörte auch die russische Pak auf zu feuern.

Später wollte man mir Schwierigkeiten machen, weil ich die Leuchtkugeln abgefeuert hätte ohne einen Befehl von höherer Stelle. Man drohte sogar mit Knast, nachdem ich unsere Situation geschildert hatte und gefragt habe, wer mir denn einen Befehl geben sollte, wenn diese Befehlshaber in voller Deckung im Bunker sitzen. Eine Nachbareinheit und die DO-Geräte-Batterie hat alles dementiert und ich bin mal wieder mit dem blauen Auge und lebend davon gekommen.

Abends musste ich dann mit Bruno Verpflegung holen und neue Befehle und wir sind nach 22.00 Uhr los. Wir hatten zwei Essenkanister auf dem Rücken und sind zuerst zur Nachbareinheit, um Kaltverpflegung zu schnorren. Wir haben angegeben, dass wir zu einem SMG-Zug gehören und unser Tross nicht nachgekommen ist. Anschließend dann zu unserem Verpflegungspunkt, der etwa einen Kilometer hinter der HKL lag. Unser Tross wollte kein Risiko eingehen und zu nah an die Front kommen. Ausgerechnet in dieser Nacht musste der Iwan laufend Störfeuer schießen mit Artillerie und Granatwerfern feuern. Vielleicht hatten sie das Klappern der Essenkübel gehört. Jedenfalls mussten wir, bepackt wie wir waren, uns viele Male hinlegen oder in Deckung gehen, um nicht erwischt zu werden. Schon nach kurzer Zeit hörte ich Bruno fluchen, sein Essenkübel war undicht oder schlecht verschlossen und ihm lief die Brühe bei jedem Hinlegen ins Genick. Dann schmiss er den Kübel weg und knurrte, wer Hunger hat soll ihn sich holen. Auch mein Befehl ihn wieder auf zunehmen war erfolglos. Aber der Hunger war größer als die Angst und die Landser haben den Kübel doch noch geholt.

Ganz unerwartet wurden wir nach ein paar Tagen abgelöst und mussten die ganze Nacht zurück marschieren. Es war Mitte Januar und wir hatten Quartier in einem kleinen Dorf und sollen hier neu zusammengestellt werden. Hier haben wir bemerkt, dass es noch Menschen unter den Offizieren gibt. Wir haben hier einen Oberleutnant als Kompaniechef, der unsere Jugend akzeptiert und auch unsere Meuterei nicht so ernst nimmt, wie die bisherigen Vorgesetzten. Er hat mit allen Mitteln versucht uns von der Front zurück zu halten und ignorierte unsere Strafversetzung völlig. Ob er auch was auf dem Kerbholz hatte, war uns nicht bekannt.

Unser Aufenthalt hier dauert zwar nicht lange, aber jeder Tag ohne HKL war ein gewonnener Tag.

Wir wurden zum Arzt und Zahnarzt geschickt, um die Sache in die Länge zu ziehen. Beim Zahnarzt hatte ich einen Grund für die Behandlung, den in Düren hatte der Zahnarzt meine Füllung wegen dem Fronteinsatz nicht fertig machen können, deshalb musste er hier gezogen werden. Der Zahnarzt sagte zu mir: "Ich ziehe ihn aber erst morgen, du bleibst heute hier und wir beide machen heute Abend einen Richtigen drauf." Wir haben dann einen gehoben und die Quartiersfrau hat uns wunderbar mit Essen versorgt und trotzdem waren wir beide blau wie die Haubitzen.

Beim praktischen Arzt hatte ich nicht so viel Glück. Er sagte, der Hautausschlag an meinen Händen wäre die Krätze und ich wäre eine richtig dreckige Sau. Er konnte ja nicht wissen, dass ich seit Anfang Januar nur im Dreck an der Front gelegen habe. Ich musste mich mit einer Schwefelsalbe einreiben, aber nicht nur die Hände, sondern den ganzen Körper. Nach zwei Tagen war meine Haut violett angelaufen und mächtig geschwollen und ließ sich abziehen wie eine Pellkartoffel. Daraufhin hat er mich in ein Lazarett für Haut- und Geschlechtskrankheiten per Anhalter geschickt. Hier lagen viele Pioniere von den 44ern aus Riesa. Da hier keine Betten frei waren, hat man mich im Heeres-Erholungsheim untergebracht, denn die Ärzte hier hatten festgestellt, dass meine Hautkrankheit keine Krätze war und deshalb nicht ansteckend ist.

Im Heim war es der Himmel auf Erden. Viele hübsche Mädchen als Bedienung, überall nette und freundliche Worte, sehr gutes Essen und Trinken, aber alles leider viel zu kurz, der Aufenthalt hier. Der Arzt, der mich versaut hatte, wurde ins Lazarett gerufen und stellt nach einer nochmaligen Untersuchung fest, dass ich keine Krätze habe und dass meine jetzige Krankheit nur in Deutschland geheilt werden könnte. Ich wieder auf Achse, aber diesmal mit einer Schiffskarte nach Liebau zur Einschiffung und Überfahrt nach Deutschland.

Aber der Traum wieder nach Deutschland zu kommen hielt nicht lange an. Schon an der nächsten Frontleitstelle war ein Arzt der Meinung, dass es Landser an der Front gibt, die mit einem offenen Ekzem kämpfen, also könnte ich das mit einem geschlossenen Ekzem erst Recht und er schickte mich wieder zu meiner alten Einheit zurück. Aus der Traum mein lieber Busse, nun musste wieder kämpfen gegen den Russe.

Wie schwer diese Enttäuschung für mich war, kann ich leider hier nicht schildern, denn das wäre eine gute Möglichkeit gewesen, diesen verfluchten Kurlandkessel einigermaßen gesund zu verlassen. Ich bekam einen Marschbefehl, mich wieder bei meiner Einheit zu melden, die ich dann in aller Gemütlichkeit und so langsam wie möglich erreicht habe. Meine Einheit war aber schon wieder im Einsatz und keiner konnte mir sagen wo. Der Stabsarzt, der meine Haut versaut hatte, wollte mich in seine Fittiche nehmen und mich behandeln oder wie er sagte, "heilen." Deshalb wurde ich zum Schutze des Stabarztes abkommandiert und musste immer in seiner Nähe bleiben, damit ich schnell zur Hand war, wenn es im Feldlazarett oder Hauptverbandsplatz was los ist und er gerufen wurde. Wir fuhren mit dem Panje-Schlitten, oder, wenn es schnell gehen sollte, mit dem Auto, obwohl ich überhaupt keine Ahnung vom Fahren hatte. Er sagte es geht schon, zeigte mir Anlasser, Gas und Bremse und sagte: "Fahr los, Gegenverkehr kommt sowieso keiner."

Die restliche Zeit musste ich meine Haut mit allerlei Salben einreiben und mich pflegen, aber geholfen hat es auch nicht. Ich hatte das Gefühl, dass er mich als Versuchkaninchen für seine späteren Heilmethoden benutzt. Mir war aber alles egal, Hauptsache ich brauchte nicht an die Front und man genießt jeden Tag, den man nicht an der Front verbringen muss. Ich machte mir als strafversetzter Unteroffiziersschüler keine Illusionen, dass man bei der Deutschen Wehrmacht so einen vergessen würde, das stand für mich fest. Zeit genug hatte ich und nach der Einreibung der Haut wurden noch einmal die Strohsäcke zum Abhören benutzt. Wir lagen hier in einer Waldschule, die aber nicht mehr als Schule benutzt wurde, die Lehrerin besuchte die Kinder zu Hause. Meine Aufgabe war Einreiben und den Stabarzt ins Lazarett fahren und wieder ab zu holen.

Eines Tages schaute ich aus dem Fenster der Schule und sehe den Waffenmeister mit dem Furier und dem Koch der Abteilung, wie sie Schießübungen durchführen. Erst mit Pistolen, dann mit Karabiner und Maschinenpistolen, weiter mit dem Maschinengewehr und zuletzt mit einer Panzerfaust, einem "Gretchen", so hießen sie damals, es war die kleinere Form der Panzerfaust "Faust." Wir waren bei unserem Einsatz in Geilenkirchen mit beiden Panzerfäusten belehrt worden und hatten auch damit schießen müssen. Beim Scharfmachen des Gerätes bei den Dreien da unten, habe ich bemerkt, dass der Waffenmeister das "Gretchen" falsch scharf gemacht hat. Denn beim "Gretchen" wurde der Zünder umgekehrt wie bei der "Faust" eingelegt. Mein Rufen, dass er was falsch gemacht hat, wurde von den Dreien ignoriert und der Waffenmeister hat sogar abgewinkt und ich hatte das Gefühl, dass alle unter Alkohol standen. Der Koch zielte mit der Panzerfaust auf ein Autowrack von einer Schulbank aus. Er feuerte ab und das Gretchen explodierte vor seinem Gesicht. Die Bank war nur noch Feuerholz und der Koch sah aus wie ein Neger, sein Gesicht und die Arme waren völlig verbrannt. Zum Glück war ein Sanka in der Nähe, der den Koch ins Lazarett bringen konnte, aber die Verbrennungen waren so stark, dass wir uns einen neuen Koch besorgen mussten. Warum der Waffenmeister nicht auf meinen Zuruf reagiert hat, ist nie heraus gekommen, obwohl andere meinen Ruf gehört haben. Später habe ich dann dem Waffenmeister gezeigt, wie diese Panzerfaust scharf gemacht wird. Aber wie es eben im Leben ist, auch diese Situation war schnell vorbei und der Ernst des Lebens ging weiter, denn man hatte herausgefunden, wo meine Einheit zurzeit im Einsatz war oder sich für den Einsatz vorbereitete. Es war gar nicht zu weit von meinem jetzigen Standpunkt entfernt und abends hatten mich meine Kumpels wieder. Wir mussten die ganze Nacht marschieren, denn am Tage hätten uns die russischen Flieger aufs Korn genommen. Das neue Einsatzgebiet war in einem urwaldähnlichen Abschnitt. Nach Ankunft mussten wir noch den Pionieren helfen die Bäume für eine Waldschneise zu fällen. Es gab weder Schützengräben noch Schützenlöcher. Unsere neue Stellung bestand nur aus einer Linie hinter der Schneise. Ein paar Sturmgeschütze und reparierte Panzer zogen die Stämme aus der Schneise, die trotzdem sehr unübersichtlich blieb. Die Zeit zum Fällen wurde immer knapper und die Pioniere fingen an die Stämme weg zu sprengen und diese fielen dabei kreuz und quer in die Schneise und machten diese dadurch noch unübersichtlicher. Unsere Stellungen waren ohne Gräben nur ein paar angedeutete Schützenlöcher und Reisigbunker und ein Sichtschutz, nur aus Ästen der umgelegten Fichten, waren unsere Deckung.

Alles musste schnell gehen, denn die Front vor uns wurde zurück genommen, das heißt begradigt, wie es in den Wochenschauen immer gemeldet wurde. Wie wir die Front ohne Sicht und Deckung aufhalten sollen, wusste keiner von uns, nicht mal unser Kompaniechef. Er war fest der Meinung, dass es sich her um ein sogenanntes Himmelfahrtskommando handelt, wir sollten uns darauf einstellen.

Wir waren mit neuen Landsern aufgefüllt worden, vor allem mit jungen Kriegern und Leuten, die in den Schreibstuben und beim Tross nicht mehr gebraucht wurden. Keiner hatte die leiseste Ahnung vom Grabenkampf und was noch alles auf sie zukommen wird. Mit Waffen und Munition hatten wir uns zwar gut versorgt, auch Panzerfäuste und Granatwerfer waren genügend vorhanden und wir konnten uns schon auf die gedachte Stellung der Russen einschießen, aber ob uns das noch hilft, das steht in den Sternen geschrieben. In aller Stille hatte die Einheit vor uns ihre Stellung geräumt und war etwa 1500 Meter hinter uns in Stellung gegangen und zwar an einem Waldrand. Wir mussten die ganze Nacht auf den Russen warten. Keiner durfte schlafen und jeder auf seinem Posten ausharren. Der Russe kam auch in aller Stille, hat aber seine Anwesenheit durch das Wiehern der Pferde verraten. Jedenfalls wurde plötzlich am ganzen Frontabschnitt Leuchtkugeln abgefeuert und ein Feuergefecht begann. Aus allen Rohren wurde der Iwan empfangen. Eines wussten wir aber nicht, auch die Artillerie hatte sich auf die neue Stellung der Russen vorher eingeschossen und gab dem Gegner den Rest. Sie mussten sehr schwere Verluste haben, denn das Geschrei der Verwundeten und Helfer war bis zu uns zu hören und nahm auch kein Ende. Ein Stoßtrupp am nächsten Tag bestätigte unsere Vermutungen dann auch, denn es lagen viele Tote im Niemandsland, wir selber hatten nur einige Verwundete. Wir waren ständig in Alarmbereitschaft und mussten unter freiem Himmel schlafen, nur mit Reisig und Decken zugedeckt. Unsere Ersatzleute vielen wie die Hasen bei der Jagd, sie haben die Sichtdeckung aus Fichtenreisig trotz unserer Warnungen als sicher genommen und zum Teil verlassen und wurden dadurch von den Russen durch MG-Feuer erwischt, denn so dicht waren die Zweige auch wieder nicht. Die Russen versuchten immer wieder gegen unsere Stellungen anzurennen. Nach zwei Stunden Verteidigung und Gegenwehr mussten wir dann mit großen Verlusten den Rückzug antreten, denn unsere Deckung war wirklich vollkommen für die Katz. Die Feuerleitstelle der Artillerie hat dabei sehr gut reagiert und verlegte das Feuer dann auf unsere ehemalige Stellung aber wieder aus allen Rohren sogar DO-Geräte und die Pack nahmen daran teil. Auch der Iwan musste daraufhin seinen Angriff einstellen, denn durch das Artilleriefeuer flogen die Baumstämme durch die Luft. Wir waren natürlich froh den Russen vom Halse zu haben, denn beim Zurückgehen durch den Wald sich noch verteidigen müssen ist ganz schön anstrengend und wir waren alle fix und fertig. Wir haben bei dieser Aktion sehr viele unserer Kameraden verloren. Die meiste Schuld an diesen Verlusten hatte diese komische Deckung aus Fichtenreisholz. Hier gab es keinen Schutz gegen Beschuss des Gegners und das hat dieser ausgenutzt. Mit Handgranaten war auch nicht viel anzufangen, denn das Gelände vor uns war durch die umgestürzten Bäume völlig unübersichtlich und schießen konnte man auch nicht, denn dann musste man ja die Deckung öffnen. Für die Russen waren natürlich die umgefallenen Bäume eine gute, wenn nicht sogar eine sehr gute Deckung beim Angreifen.

Als wir die Auffangstellung etwa 1,5 km hinter uns erreichten, waren von unserem Haufen nicht mehr viele übrig. Wir alle hatten das Gefühl, dass man uns nur diesen Frontabschnitt zugeteilt hatte, weil wir straf- versetzt waren und unsere Vorgesetzten uns als Prügelknaben für diesen Abschnitt gebraucht haben, denn in ihren Augen waren wir ja keine Menschen, sondern Verbrecher, aber Gott sei Dank haben nicht alle Offiziere der Wehrmacht so gedacht.

Unser derzeitiger Kompanieführer hieß Bodo Iwan und stammte aus Ostpreußen. Er war noch ein junger Kerl, etwas älter als unsere Truppe, seine Mutter hatte ihm beim Abschied gesagt, dass er erst wieder nach Hause kommen darf, wenn er das Ritterkreuz erhalten hätte. Ich glaube sein Zuhause war derzeit schon von den Russen besetzt, er war aber auch einer der unsere Strafversetzung ignorierte und uns ordentlich behandelte.

Er war es auch, der einen Stoßtrupp organisierte, der im Hinterland der Russen einen Bahnhof und Züge in die Luft sprengen sollte. Er versprach uns auch, wenn wir mitmachen und es mit den Pionieren schaffen den Bahnhof zu vernichten, würde er sich danach für uns einsetzen, dass wir wieder zu den regulären Truppen versetzt würden. Es waren zwar nicht mehr viele von Düren da - wir waren auf 30 Mann zusammen geschrumpft - dazu kamen noch ein paar Leute aus dem Kessel, aber der größte Teil unserer Truppe war bei dem letzten Einsatz entweder gefallen oder verwundet. 20 Mann brauchte er von uns für den Einsatz und ich war natürlich mit dabei. Arno Lehmann durfte nicht mit, sehr bedauerlich für uns, denn er war mein Kumpel und Beschützer die ganze Zeit gewesen. Am nächsten Tag mussten wir uns fertig machen. Alles Persönliche, wie Soldbuch, Post von zu Hause, Notizbücher und sogar die Erkennungsmarke, musste abgegeben werden, auch alle Fotos.

Die eigentliche Sprengung sollte von den Pionieren durchgeführt werden. Jeder von uns musste außer den Waffen noch 6 kg Sprengstoff mitschleppen, sogar Tellerminen haben sie manchen aufgebrummt. Wir waren alle bepackt wie die Maulesel. Laut Befehl sollten wir in zwei Gruppen die russische Stellung durchbrechen, nach Möglichkeit ohne Feindberührung. Damit das Unternehmen nicht gefährdet wird, sollte jede Unterstützung der anderen Gruppe bei Feindberührung von der anderen Gruppe unterlassen werden, also keine Hilfe untereinander, das war hart und gar nicht in unserem Sinne. Die Kameraden verrecken lassen, aber dafür den Bahnhof und die Züge mit etwas weniger Sprengstoff in die Luft jagen.

Nachts um 21.00 Uhr ging es los. Wir gingen an einem Abhang mitten durch den Wald, die ganze Aktion war mit der Artillerie abgesprochen und die haben den Iwan mit Granatfeuer reichlich beschäftigt, so dass wir gut durch die Stellung der Russen kamen. Nach einem Marsch von zwei Stunden, etwa vier Kilometer - als Marsch kann man das nicht bezeichnen, es war mehr ein Robben und Kriechen als Marschieren - und mit der Last war das bestimmt kein Zuckerschlecken und wir waren alle kaputt aber ohne Verluste.

Dann ging alles rasend schnell. Die Truppe vor uns hatte zwei russische Doppelposten unschädlich gemacht und mit den Pelzmützen und Wattejacken der Posten begonnen die Ladungen am Zug und am Bahnhof anzubringen. Nachdem alles vermint war, mussten wir den Rückzug antreten. Eine kleine Gruppe hatte die Sprengung und Zündung vorzubereiten und sollte später nachkommen. Die vier Landser mit den Russenklamotten gingen unserem Trupp voran. Wir mussten unbedingt die Zeit einhalten, damit wir vor dem Sperrfeuer der Artillerie die Stellung der Russen überqueren konnten. Ich habe noch nie so viel Muffensausen gehabt wie in dieser Nacht, obwohl wir inzwischen einiges von der Front gewöhnt sind, aber hinter der russischen Linie, das war doch ein bisschen komisch.

Pünktlich wie vereinbart begann die Artillerie mit dem Sperrfeuer und deshalb gelang uns auch der Durchbruch durch die russische Stellung. Wir konnten die russischen Posten noch überraschen durch die vier Maskierten, natürlich hatten die Russen auch mehrere Ausfälle beim Überqueren der Stellung. Unsere Nachbargruppe kam etwas später hinter uns und stieß auf aktiven Widerstand und musste acht gefallene Kameraden zurück lassen.

Unser Einsatz hat sich in gewisser Weise aber gelohnt, zwei Züge und der Bahnhof waren hin, aber unser Kompaniechef hat Wort gehalten und wir wurden kurze Zeit später zu einer regulären Einheit, und zwar zur 225. Infanterie-Division, genannt "Watzmann", versetzt. Wie sich später herausstellte, war es eine Bremer Einheit und für uns Sachsen sehr schwer verständlich, denn sie sprachen Plattdeutsch. Auch unser Makel als Vaterlandsverräter soll gestrichen worden sein. Wir haben damit unsere Strafe die Frontbewährung mit Waffen erfolgreich bestanden und hoffen nun, dass sich unsere Vorgesetzten nun etwas menschlicher behandeln.

Es war Anfang Februar, als wir eine neue Stellung südwestlich von Priekule beziehen mussten. Es war eine kleine Anhöhe, unbewaldet mit einer guten Sicht zum Feind, aber auch gut sichtbar vom Feind. Auch hier gab es Gräben so gut wie keine, nur angedeutete Ausschachtungen zum Vorposten und MG-Stand. Ein kleiner Erdbunker war unsere Unterkunft, in dieser war aber auch der Kompaniechef und sein Stab untergebracht. Der Kompaniechef war ein Oberleutnant aus Österreich. Mit mir war auch Arno Lehmann zu dieser Einheit versetzt worden, zu meinem Glück, denn mit ihm konnte ich mich wenigsten unterhalten. Alle anderen Kumpel waren in verschiedene Einheiten versetzt worden, oder wie man so sagt, in alle Winde zustreut. Viele waren es aber nicht mehr, denn wir haben lange Kontakt zu unserem Hauptfeldwebel von der Strafeinheit gehabt und der hat uns immer die Verluste unsere Truppe wissen lassen.

Nochmals zu unserer Stellung: rechts von uns lag ein abgeschossener Stalinpanzer und gleich daneben ein ausgebrannter T34. Die russische Stellung lag zirka 400-500 Meter vor uns an einem Waldrand. Hinter unserem Hügel standen zwei Sturmgeschütze zu unserer Unterstützung.

Gleich am Tage unserer Ankunft bekamen wir Feuer von der russischen Artillerie und Grantwerfern, zwischendurch ballerten auch die Stalinorgeln. Aber rechts und links von unserer Stellung war niemand und dieses Gebiet beschossen die Russen mit. Dabei haben wir nicht allzu viel abbekommen. Die Sturmgeschütze waren in einen Wald hinter uns zurückgefahren, damit sie von der Artillerie nicht erwischt wurden.

Nach zwei Stunden war alles vorüber und wir konnten beginnen unsere Stellung etwas auszubauen und zu sichern. Ausbauen war eigentlich gar nicht möglich, denn die Erde war gefroren und deshalb konnten wir nur mit der aufgetauten Schicht und dem Dreck von den Granateinschlägen hantieren.

Ich war wieder mal zum Gruppenführer ernannt worden, obwohl wir keinen Schützen I für unser MG hatten, also muss ich wieder mal beides machen. Aber Arno war Schütze II und hat mich immer gut unterstützt und geholfen. Manchmal kamen Pioniere und halfen uns beim Ausbau der Stellung meist durch Sprengung der MG-Stellung und der Schützenlöcher, aber Gräben zum Hin- und Herlaufen gab es nicht. Einmal war sogar eine Pioniereinheit aus Riesa da, es waren die 44er. Da kam Freude auf als wir ihr Sächsisch hörten. Wir haben auch versucht den Bunker wohnlicher zu gestalten, haben Schlafnischen eingebaut, die Wände und den Eingang abgedeckt und Stroh organisiert. Aber es hat nicht für alle zum Schlafen gereicht, einige mussten immer noch wegen dem Kompaniestab auf dem Fußboden schlafen, der auch mit uns im Bunker hauste. Wenn alle drin waren, ist der Bunker gefüllt wie eine Zigarrenkiste, das hatte aber auch den Vorteil, dass es schön warm war, denn Feuer machen war gar nicht möglich wegen dem Qualm. Es stank auch ganz fürchterlich, denn Wasser gab es nicht und der Schnee war so dreckig, dass man ihn nicht zum Waschen verwenden konnte.

Viel konnte sich unsere Truppe sowieso nicht im Bunker aufhalten, denn es gab jeden Tag Reibereien mit den Russen, immer Artilleriefeuer oder Stoßtrupps, sogar mehrere Angriffe mussten wir abwehren. Unsere Nachbareinheit hatte sogar ein paar Gefangene gemacht, die der Bataillonsstab dann ausgequetscht hat und dabei erfahren hat, dass in unserem Abschnitt ein größerer Angriff bevorsteht. Dieser Angriff ging dann wirklich am nächsten Tag über die Bühne, die Russen hatten über Nacht in einem Wäldchen rechts vor uns eine Truppeneinheit eingeschleust und diese lag dort in Bereitschaft zum Angriff. Dieses war unsere Leitung durch die Gefangenen bekannt und so wurde das Wäldchen mit Sprenggranaten und Flammenöl der DO-Werfer zunichte gemacht. Wir haben die Schrei der Soldaten bis zu uns hören können, als sie verbrannten, es sollten über 200 Mann gewesen sein. Uns allen war klar, dass in den nächsten Tagen bei uns der Teufel los sein wird, als Vergeltung für dieses Gefecht. Unsere Vermutung stimmte, die nächsten Tage bekamen wir immer Störfeuer mit allen Waffen und immer wieder Stoßtrupps, die in unsere Stellung einbrachen und uns einen erbitterten Nahkampf lieferten. Am 20. Februar war es wieder soweit, ich hatte im Bunker mit unserem Kompaniechef eine Lagebesprechung. Er war ein feiger Hund, immer wenn es gefährlich wurde verstand er es einen anderen raus zu schicken und verkroch sich im Bunker. Er hatte komischerweise auch immer etwas Besonderes parat, wie Speck oder Schinkenschnitten die er dann verteilte, wenn es losging damit der Kumpel besser kämpfen konnte, wenn er satt war.

Nachdem ich meine Waffe nachgeladen hatte und mir ein paar Eierhandgranaten angehängt hatte, bin ich raus, denn das Gewehrfeuer hatte stark zugenommen. Im Bunkereingang kam mir ein Soldat entgegen und es war ein Russe, durch die enge des Grabens konnte er und auch ich nicht die Waffe in Anschlag bringen und er umfasste meinen Körper mit beiden Händen und drückte mich fest an sich. Zu meinem Glück war mein linker Arm bei der Umarmung frei geblieben und da ich vorrangig Linkshänder bin, steckte auch mein Nahkampfmesser an der linken Seite und ich konnte, bevor mir die Luft ausging, das Messer ziehen und dem Russen in den Hals stoßen. Er blutete sofort sehr stark, ich hatte bestimmt die Halsschlagader getroffen und viel dann über mich. Auch ich soll wie geschlachtet ausgesehen haben, denn er lag ja auf mir. Als Arno mich suchen wollte, fand er den toten Russen und darunter mich völlig blutüberströmt und er nahm an dass, ich auch hinüber bin. Das hat ihn so geschockt, dass er mich liegen ließ und ist mit der Pistole und dem Feldspaten losgerast ist, den Russen entgegen. Dabei hat er mehrere erwischt, die Russen haben bestimmt nicht mit so einer Reaktion eines Deutschen gerechnet. Inzwischen hatte ich mich ohne Hilfe meines Kompaniechefs von dem Russen befreit und bin Arno hinterher. Als er mich lebend sah, nahm er mich an der Hand und wir sind beide getürmt mehr aus Freude als aus Angst. Erst hinter der Stellung der Sturmgeschütze haben wir eine Rast eingelegt. Diese sind dann vorgerückt und haben die Russen aus unserer Stellung vertrieben wir beiden natürlich hinterher.

Wir waren ja schon in dieser kurzen Zeit in mehreren Stellungen und Abschnitten. Aber was hier los ist kann man kaum beschreiben, fast jeden Tag oder auch nachts gibt es Kontakt mit den Russen, auch in Form von Späh- und Stoßtrupps beiderseitig. Auch Angriffe der Russen mussten wir hier schon mehrmals abwehren, aber nur mit Hilfe der Sturmgeschütze und weil das Niemandsland ziemlich flach und gut sichtbar war. Auch unsere SMG`s waren nicht schlecht bei den Aktionen.

Eines muss ich noch loswerden: der Russe in unserem Bunkereingang war der erste Gegner, den ich im Nahkampf getötet habe und das war gar nicht so einfach zu verkraften. Dabei hat Arno viel mitgeholfen, denn er hat mir eingepaukt, wenn du nicht, dann würde es umgedreht gewesen sein und wir beide könnten keinen mehr heben. Für uns ist es eben nur noch ein Kampf um das Überleben und hier wird mit allen Mitteln der Waffenkunst gekämpft. Wir sind hier in Kurland eingekesselt und auf verlorenem Posten, genau wie unsere Soldaten in Stalingrad. Dieser Kessel wird von Tag zu Tag immer enger und die Verpflegung immer schlechter. Das Pferdefleisch schmeckt gar nicht so schlecht, aber einmal werden auch die Pferde rar, was dann? Aber das sogenannte Drahtverhau (Trockengemüse) und die Kartoffelflocken werden dabei mit hinunter gewürgt. Was es reichlich gibt ist Schnaps, fast jeden Tag einen Trinkbecher voll und vom Marketender soviel, wie der Geldbeutel zulässt, aber meistens noch eine Flasche wöchentlich gratis. Schnaps ist für uns junge Hüpfer zuviel und das Essen zu wenig. Im Grunde genommen sind wir durch den Schnaps ständig im Stoff, oder wie man sagt, angeheitert. Aber anders ist die Situation hier gar nicht auszuhalten.

Durch die Hilfe der Pioniere ist unsere Deckung bedeutend besser und sicherer geworden. Verschiedene Stellungen können wir schon fast aufrecht erreichen und die Gefahr, dass man uns sehen kann, ist bedeutend geringer geworden. Auch die Unterstützung durch die Sturmgeschütze ist einmalig. Wir brauchen nur die vereinbarten Leuchtsignale zu schießen, schon rücken sie an und wollen eingewiesen werden. Dadurch hatte ich die Gelegenheit mehrmals mit ihnen in die Feuerstellung zu fahren. Obwohl rundherum Stahl im Fahrzeug ist, habe ich mich nie richtig sicher in diesen Kisten gefühlt und die Besatzung hat mich dabei ausgelacht. Dank unserer Einweisungen haben die Sturmgeschütze bereits vier T34 zur Strecke gebracht. Auch die beiden vor unserer Stellung gingen auf ihr Konto.

Am 25. Februar, bei einem erneuten Angriff der Russen mit Panzerunterstützung, hatten die Sturmgeschütze wieder Erfolg mit zwei Abschüssen, bei uns lief es auch ein bisschen besser, denn die Stellungen links und rechts von uns waren inzwischen besetzt worden, so konnten die Russen unseren Hügel nicht mehr in die Zange nehmen und fühlten uns deswegen etwas sicherer. Es ist aber bei jedem Angriff dasselbe, die Russen rennen gegen unsere Stellung an wie die Verrückten und laufen dabei in unser MG-Feuer und werden dabei abgeschossen wie auf dem Schießstand. Bruno schießt mit dem Scharfschützengewehr auf die grünen Mützen (Kommissare). Wenn er ein Paar erwischt hat, gehen die Russen zurück und bekommen dann das Feuer der Sturmgeschütze zu spüren.

Wir nehmen an, dass unsere Stellung für die Russen einen strategischen Wert hat, da sie ununterbrochen gegen unsere Stellung anrennen. Ich habe die ganze Zeit in Kurland nicht erlebt, dass sich die Russen um ihre Toten und Verwundeten kümmern, so wie die Amis im Westen. Manchmal hören wir sie schreien, wir nehmen an, dass sie die Verwundeten nachts holen.

Inzwischen ist bei uns der 28. Februar angebrochen, der Iwan beginnt mit Trommelfeuer aus allen Rohren, sogar die Pak schießt mit auf unsere Stellungen, weiterhin haben sie Panzer eingegraben, etwa 500 Meter vor uns, wir alle rechnen mit einem größeren Angriff und das Feuer hält über zwei Stunden an. Auch die eingegrabenen Panzer und Stalinorgeln beteiligen sich an diesem Beschuss und das alles auf einer geschätzten Breite von zwei Kilometern. Vor allen auf unseren Hügel haben sie es wieder abgesehen, weil hinter uns die Sturmgeschütze stehen. Wir können nicht einmal die Köpfe über die Deckung heben und so wissen wir nicht, ob sie schon angreifen. Da müssen wir warten bis das Feuer nachlässt.

Ich liege mit Arno Lehmann in unserer MG-Stellung, natürlich in voller Deckung, dann lässt der Beschuss nach und die Sturmgeschütze rücken vor, um die Panzer der Russen zu bekämpfen. Eines der Sturmgeschütze steht unmittelbar hinter unserem Loch. Die Mündung von ihrem Geschütz natürlich auch. Damit haben wir den Knall und den Druck des Abschusses genau über uns. Dazu kommt noch das Feuer der Russen auf die Sturmgeschütze, das jetzt gezielt auf unseren Standpunkt geht. Schon bei den ersten Abschüssen und Einschlägen ist das Brett auf dem wir hockten, um nicht nass zu werden, gebrochen und wir beide hockten bis zu den Knien im Wasser. Auch die Einschläge der russischen Pak wurden immer dichter und häufiger. Dann gingen Arno die Nerven durch und er brüllte mir ins Ohr: "Wir müssen hier raus sonst, verreckten wir hier, das hält ja kein Mensch aus." Ich habe ihn immer wieder versucht zurück zu halten und es gelang mir auch eine Zeit lang. Aber die Einschläge und Abschüsse wurden immer mehr und es war wirklich der reinste Wahnsinn hier, gerade hier zu liegen. Plötzlich stand Arno auf und wollte aus dem Loch springen, im selben Augenblick stürzte er wieder herein und ich sah, wie ihm ein Granatsplitter den Hals aufgeschlitzt hatte. Er lag in meinen Armen und ich hielt ihm mit meiner Hand die Wunde zu. Er wollte mir noch etwas sagen, aber er brachte nichts heraus, denn die Gurgel und die Hauptschlagader waren verletzt und das schwer. Kurze Zeit später war er verblutet - ich war nicht in der Lage den Blutstrom zu stoppen, denn ich konnte ja auch nicht aus dem Loch raus. Ich habe in diesem Moment geflucht und geweint wie noch nie, denn ich habe mit Arno einen Freund, Kumpel sowie einen Landsmann verloren, der die ganze Zeit wie ein Vater zu mir war, denn er hatte in Glaubitz einen Sohn, der etwas jünger war als ich. Ich war eben hier sein Junge und so hat er mich auch die ganze Zeit angesprochen. Wenn er es nur noch eine kurze Zeit in diesem Loch ausgehalten hätte, wäre er bestimmt nicht gefallen, denn ich habe es ja auch überstanden und die Sturmgeschütze zogen sich kurz darauf aus der Feuerstellung zurück und das Gegenfeuer der Russen ließ nach. Bei diesem Gefecht wurde von uns noch ein Landser getötet, er hat, während geschossen wurde, aus dem Sichtloch des Bunkers geschaut, dabei hat ihm eine Pak-Granate den Kopf weggerissen und ein Dritter meiner Gruppe ist durch einen Granateinschlag getötet worden. Arno und die beiden anderen haben wir auf einem Friedhof beerdigt, aber wo es war, kann ich nicht sagen, denn wir haben nie erfahren, wo unsere Stellung gelegen hat. Auch später haben uns die Russen keine Ruhe gelassen, immer wieder Stoßtrupps und Störfeuer.

Am 1. März haben die Pioniere nachts versucht unsere Stellung wieder etwas in Ordnung zu bringen. Der Boden war aber immer noch gefroren und sie konnten höchstens 30 cm tief ausschachten, sie hatten auch einen Gang bis zum Vorposten ausgehoben, aber auch nicht viel tiefer als die anderen.

Ich hatte mich in dieser Nacht vom 1. auf den 2. März seit langem einmal wieder zum Schlafen hingelegt, der Kompaniechef hatte mir versprochen die Wachen selbst zu kontrollieren.

Früh um fünf wurde ich geweckt - die Russen sind da! Ich raus aus dem Bunker, habe schnell noch den Maschinenkarabiner geschnappt. Als ich draußen war, sah ich schon die Russen gelaufen kommen, schön der Reihe nach und auch noch hintereinander in dem von den Pionieren ausgeschachteten Graben. Das ganze Magazin habe ich auf sie abgefeuert, so dass am Ende keiner mehr aufrecht stand.

Dann ging alles blitzschnell: Hinter unserem Bunker richtete sich ein Russe auf und hob den Arm, um eine Handgranate zu werfen. Ich schoss mehrmals mit der Pistole auf ihn, er war aber noch in der Lage die Handgranate in unsere Richtung zu werfen, bevor er umfiel. Diese Handgranate fiel aber nicht in den Bunkergraben, sondern explodierte unglücklicherweise auf einem Holzpfahl in der Grabenecke. Dadurch war die Wirkung der Handgranate furchtbar, ich spürte einen Schlag und starken Schmerz in meiner rechten Bauchseite und überall Blut im Gesicht und an den Händen, denn ich hatte bei dem Wurf meine Hände über das Gesicht gehalten. Ich spürte auch, wie das Blut an meinen Beinen unter der Hose herunter lief. Habe mich mit letzter Kraft in eine gefrorene Panzerspur gewälzt und bin dort liegen geblieben, habe aber noch gesehen, wie russische Soldaten, die mit mir verletzten Kameraden, mit dem Gewehrkolben erschlugen. Erst später habe ich erfahren, dass die Handgranate dem Kompaniechef einen Arm abgerissen, dem Sanitäter der Kompanie das Gesicht schwer verletzt und einen weiteren Soldaten schwer verletzt hat. Die Russen sollen sich alle verwundeten und toten Soldaten angeschaut haben. Die Verwundeten wurden sofort mit dem Gewehrkolben erledigt. Ich war inzwischen ohnmächtig geworden, weil mein Gesicht und die Hände völlig mit Blut und Dreck verschmutzt waren, haben sie mich bestimmt für tot gehalten. Wie später mein Spieß im Lazarett sagte, hatte meine Truppe mit mir nur noch einen Mann Grabenstärke.

Als die Russen sich etwas zurückgezogen hatten und zum Teil in unserem Bunker untergetaucht waren, fing der Russe an mit der Stalinorgel zu feuern. Auch ich habe dabei einige Splitter abbekommen, aber nur kleine und vor allem im Rücken.

Dann trat mein Schutzengel in Tätigkeit. Einer der Sturmgeschütz-Besatzungen hatte durchs Fernglas gesehen, dass sich auf unserem Hügel noch etwas bewegte. Sie stießen beide feuernd vor und zerstörten mit ihrer Artillerie den mit Russen gefüllten Bunker vollständig. Danach stieg einer aus und rief: "Kumpel lebt ihr noch?" Ein Kamerad und ich haben uns bemerkbar gemacht und daraufhin haben uns zwei Mann zurück zum Sturmgeschütz getragen und uns darauf mit einem Ruck geworfen. "Haltet euch fest" und zurück ging es mit vollen Tempo und MG-Feuer. Ich war inzwischen wieder ohnmächtig geworden und bin erst wieder im Feldlazarett erwacht. Der Sani sagte mir, dass sie das Bluten gestillt hätten und ich hätte einen Lungen- und Bauchstecksplitter und müsste sofort ins Feldlazarett, um dort operiert zu werden. Mit einem Sanka wurden wir dann, nur notdürftig verbunden ins Feldlazarett gebracht. Vor der Abfahrt hat uns der Sanitäter noch gesagt, dass keiner im Wagen raucht, weil Lungenverletzte beim Transport sind. Ein Landser hat aber trotzdem geraucht und ein Verletzter hatte große Schwierigkeiten, sodass der Fahrer halten musste, um den Verwundeten zu behandeln. Der Raucher durfte aussteigen und zu Fuß ins Lazarett nachkommen.

Im Feldlazarett angekommen, es war am 3. März 1945, wurden wir ausgeladen und vor der Schule an der Eingangstür der Reihe nach abgesetzt. Es war auf dem Hof und vor der Treppe zum Eingang.

Der Sanitäter, der unsere Personalien und Verletzungen aufschrieb, sagte, dass die Flure und Zimmer voll von Verwundeten liegen, die noch operiert werden müssen. Alle waren darauf der Meinung, dass wir wenig Chancen haben, um hier zu überleben, denn die Verbände bei allen wurden schon wieder blutig. Wie lange wir gelegen haben, weiß ich nicht. Nach langer Zeit kamen ein paar Offiziere in Pelzmänteln aus der Schule und liefen die Treppe herunter, vor der ich lag. Einer der Offiziere trat an mich heran und fragte, ob ich eine Kopfverletzung hätte und wie alt ich sei. Als ich ihm sagte, dass ich nicht nur am Kopf sonder auch einen Lungen- und Bauchstecksplitter hätte, drehte er sich zu den anderen Offizieren um und sagte wörtlich: "Meine Herren, der Mann ist zu jung um hier zu verbluten und drauf zu gehen. Wir operieren ihn noch und zwar sofort." Alle drehten sich um und marschierten mit mir auf der Trage über viele Verwundete in den Gängen zu einem OP-Raum.

Sie packten die Instrumente aus und zogen sich um und begannen mit der Operation, indem ich eine Narkose bekam. Später habe ich dann erfahren, dass es ein Professor aus Königsberg war, er wurde eingeflogen mit seinem Team, weil ein hoher Offizier ebenfalls mit Bauchschuss hier operiert werden musste. Ich habe da wieder mal großes Glück gehabt, denn wenn ich so lange hätte warten müssen, bis ich an der Reihe war, wäre ich verblutet. Fraglich war auch, ob der anwesende Arzt in der Lage gewesen wäre so eine komplizierte Operation mit Erfolg durchzuführen. Auf alle Fälle bin ich wieder aufgewacht und das in einem richtigen Bett. Auch mit der Pflege nach der Operation hatte ich Glück. Eine junge Lettin hat sich lieb um mich gekümmert, ich war ja auch der jüngste Verwundete. Nachdem ich wieder Essen konnte, hat sie mich noch zusätzlich mit Leckereien von zu Hause versorgt. Sie kam auch öfter abends, um sich über mein Befinden zu erkundigen und hat mich dabei auch unterhalten, es war zwar etwas schwer, aber verstanden haben wir uns trotzdem.

Nach 14 Tagen ging es mir schon wieder einigermaßen gut und die Sanis sagten mir, dass in den nächsten Tagen ein Lazarettschiff in die Heimat ablegt. Vielleicht könnte ich da schon mitfahren.

Dann passierte Folgendes: Der Sani war der Meinung, dass, ich meine Notdurft mal auf dem Napoleon und nicht mit dem Schieber verrichten sollte. Der Napoleon war ein umgebauter Stuhl als Notbehelf für die Verrichtung. Ich habe mich daraufhin das erste Mal langsam aus dem Bett gewälzt und mich mit krummem Rücken und zitternden Beinen dem Stuhl genähert. Da sagte der Sani: "Leute seht euch doch mal den Kerl an, wie der aus dem Bett steigt, wenn das die Jugend ist mit der Adolf den Krieg gewinnen will, da hat er aber Pech gehabt." Da mussten alle und auch ich so herzlich lachen, dass es mich umgehauen hat. Die OP-Narbe hat das Lachen nicht überstanden und ein Teil der Narbe war aufgeplatzt. Diese Stelle kann man heute nach sehen, da die Wundnaht nun nur noch geklammert werden konnte. Der Sani hat sich zwar viele Male dafür entschuldigt, aber meinen Dampfer konnte ich nicht erwischen. Später haben wir erfahren, dass der Dampfer seinen Heimathafen nicht erreicht hat. Genau konnte man das aber nicht wissen, vielleicht war es auch nur eine Notlüge, um mich zu trösten. Ein paar Tage später wurden wir dann in zwei kleine Frachter, die provisorisch für den Transport von Verwundeten hergerichtet waren, verladen. Unsere Matratzen bestanden aus Offizierspelzmänteln, die wir an der Front dringend gebraucht hätten, um nicht zu frieren. Jeder bekam eine Schwimmweste mit Druckluftflasche. Ich habe gleich eine Beutepistole gegen eine zweite Schwimmweste bei einem Matrosen eingetauscht. Diese habe ich dann als Unterlage beim Liegen gegen das Wundliegen benutzt, denn der aufgeblasene Kragen der Schwimmweste passte wunderbar auf die empfindliche Stelle meines athletischen Körpers, denn die Unterlage der so genannten Betten war alles andere als bequem.

Die Schiffsreise von Liebau nach Stettin wurde bei dichtem Nebel durchgeführt und das Nebelhorn tutete ununterbrochen. Wir sind zwei Tage unterwegs gewesen und konnten das Nebelhorn der beiden Frachter schon gar nicht mehr hören, so ist es und auf die Nerven gegangen. Aber der Nebel war unser Glück, wir sind angekommen, die Russen haben uns nicht entdeckt.

In Stettin wurden wir dann in einen Lazarettzug verladen, hier hat man uns verwöhnt, wir bekamen Sachen zu essen, von denen wir in Kurland nur geträumt haben und die Bevölkerung hat diese Dinge schon lange nicht mehr gesehen, aber alles durfte ich mit Bauchverletzung nicht essen oder trinken.

Wohin die Fahrt geht, hat man uns nicht gesagt und als ich früh aufwachte und aus dem Fenster sah, standen wir auf dem Güterbahnhof des Leipziger Hauptbahnhofes. Hier wurden wir ausgeladen und per Sanka in die Krankenhäuser in Leipzig gefahren. Hier hatte mir ein Sani oder ein Helfer alles geklaut, was ich hatte, es war nicht viel, aber mein Soldbuch und die Krankenpapiere waren auch dabei.

Endstation war erst mal das St.Elisabeth-Krankenhaus im Süden von Leipzig. Hier hat man erst einmal versucht uns sauber zu bekommen. Die Schwestern haben gefragt wann wir das letzte Mal gebadet hätten. Nach unserer Antwort: "Acht bis zehn Wochen in der Sauna" haben sie mit dem Kopf geschüttelt. Sie konnten nicht glauben, dass so etwas möglich ist und ein Mensch so lange im Dreck aushalten kann. Erst als ich ihnen geschildert habe, welche Zustände in Kurland geherrscht haben, kein Wasser zum Waschen, nur das Kochgeschirr als Behälter, keine Ruhepausen beim Tross, immer im Einsatz und an der Front, da haben sich die Schwestern beruhigt und Verständnis für unseren Zustand gehabt.

Die gute Behandlung im Krankenhaus, sowie die gute Pflege, vor allem die einer Schwester aus Mügeln, hatte zur Folge, dass meine Wunde etwas weiter verheilte, aber immer noch eiterte.

Von den laufenden Fliegerangriffen auf Leipzig wurden wir im Süden etwas verschont. Der Ami kam immer näher auf Leipzig zu und es wurde erwogen die Lazarette zu räumen. Im Lazarett hat mich dann meine Tante Frieda und meine Cousine Marianne, sowie deren Tochter aus Seerhausen besucht. Es war eigentlich ein riskantes Unternehmen bei den laufenden Luftangriffen auf Leipzig. Sie waren ganz erstaunt, dass ich schon sitzen und auch ein paar Schritte gehen konnte. Auch meine Tante Klara aus Leipzig hat mich öfter besucht und sich bereit erklärt, mich mit einem Rollstuhl zum Völkerschlachtdenkmal zu fahren, damit ich von dort aus besser nach Hause komme.

Am 21.April 1945 bekomme ich dann den Marschbefehl zur Verlegung in das Heimatlazarett Riesa, muss aber sehen, wie ich allein dort hinkomme, denn überall herrschte ein wildes Chaos und Durcheinander, denn der Ami steht vor den Toren von Leipzig. Es herrscht die Parole: "Rette sich wer kann." Noch am Vormittag des 22.April kam meine Tante mit einem älteren Rollstuhl und wollte mich abholen. Wir haben erst beraten , ob ich in Leipzig bleiben sollte, aber wegen der schlechten Versorgungslage und meiner Weiterbehandlung der Verwundung haben wir uns dann entschlossen, dass sie mich zum Völkerschlachtdenkmal bringt. Es war eine ganz schöne Strecke bis dahin. Von dort wollte ich versuchen, alleine weiterzukommen, vorerst bis Grimma. Von hier verkehrten wieder Züge in Richtung Osten. Wenn ich mir überlege welches Risiko ich damals eingegangen bin, in meinem Zustand so eine Reise und allein zu wagen, bin ich selber sprachlos...




In Zeithain nach dem Manöver bei Strehla



Waldo Moschke aus Pulsnitz (gefallen Januar 1945)
und Walter Weise von Leipzig aus an die Front



Arno Lehman aus Glaubitz, gefallen am 28. Febrauar 1945



Fritz Dostert und ich vor der Kaserne in Leipzig/ Gohlis



Ich selber in der Unteroffiziersschule in Düren/ Rh.










Herbert Flegel,
Ragewitz bei Riesa




Erlebnisbericht 1:
"Gegenstoß in Kurland"
Erlebnisbericht 2:
"16. Februar 1945"
Erlebnisbericht 3:
"Kartoffelbunker"
Erlebnisbericht 4:
"Panzerdurchbruch"
Erlebnisbericht 5:
"Mein letzter Einsatz in Kurland"
Erlebnisbericht 6:
"Erlebnisse eines estnischen Luftwaffenhelfers"
Erlebnisbericht 7:
"Als Luftwaffenhelfer im Kurland-Kessel"
Erlebnisbericht 8:
"Beginn der Gefangenschaft in Kurland"
Erlebnisbericht 9:
"Persönliche Erinnerungen von Friedrich Horstmann"
Erlebnisbericht 10:
"Zug- und Kompanieführer im Kurland-Kessel"
Erlebnisbericht 11:
"Militärische Stationen von Günter Schlagmann - 126. Inf.- Div."
Erlebnisbericht 12:
"Gefangenschaft im Schoß von Väterchen Russland"
Erlebnisbericht 13:
"Stafversetzung nach Kurland"
Erlebnisbericht 14:
"Einsatz in der Nahkampfdiele"
Erlebnisbericht 15:
"Harald Kägebein schreibt über seinen vermissten Onkel"
Erlebnisbericht 16:
"Wilhelm Hopp beschreibt die ersten Tage in Gefangenschaft"
Erlebnisbericht 17:
"In russischer Kriegsgefangenschaft, von Otto Solbach"
Erlebnisbericht 18:
"Alfons Wohlgemuth über einen Gegenstoß bei Preekuln"
Erlebnisbericht 19:
Dokumente des Obergefreiten Anton Seitz
Erlebnisbericht 20:
"Erlebnisse, die man nie vergisst - Rudi Richter"


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